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Südafrika auf der Anklagebank

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Südafrika hat sich verfassungsmäßig darauf festgelegt, der Mehrheit seiner Bewohner politische, bürgerliche, wirtschaftliche und soziale Grundrechte vorzuenthalten.

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Südafrika hat sich verfassungsmäßig darauf festgelegt, der Mehrheit seiner Bewohner politische, bürgerliche, wirtschaftliche und soziale Grundrechte vorzuenthalten.

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Amnesty International (AI) verteilt zwar keine Zensuren und stellt keine Vergleiche an, ist aber doch eine sensible Alarmanlage bezüglich Verletzung der Menschenrechte in vielen Bereichen. Zu den Hauptanliegen von AI in Südafrika gehören:

• Inhaftierung ohne Anklage (wovon seit der Verhängung des Ausnahmezustands am 12. Juni 1986 und dessen Erneuerung nach einem Jahr zirka 20.000 Menschen betroffen sind);

• Führer oppositioneller Gruppen wurden wegen ihrer gewaltfreien Ablehnung der Apartheid vor Gericht gestellt;

• Folter und Mißhandlung kommen regelmäßig vor, vereinzelt auch Todesfälle als Folge der Folter;

• Hunderte Menschen wurden bei Demonstrationen erschossen;

• vermutete Regimegegner werden auch im Ausland ermordet;

• vor Aufhebung der Paßgesetze 1986 waren Hunderttausende Menschen wegen Paß vergehen festgenommen worden;

• auch Kinder und Jugendliche sind solchen Ubergriffen schutzlos ausgeliefert (etwa ein Drittel der unter dem Ausnahmezustand Inhaftierten ist jünger als 25 Jahre).

AI hat über derartige Vorkommnisse genaue Daten, Namen und Orte gesammelt.

Unter den Inhaftierten findet sich eine auffallend hohe Anzahl von aktiven Mitgliedern kirchlicher Organisationen verschiedener Konfessionen — im Frühjahr dieses Jahres auch der Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz, Pater Smangaliso Mkhatshwa. Eine andere, hervorragende Zielgruppe der Repression sind — natürlich — Gewerkschaftsfunktionäre.

Die Folter wurde und wird in Südafrika laut Berichten in folgender Form regelmäßig angewendet:

• Uberstülpen von Kapuzen bei gleichzeitigen Schlägen;

• Bedrohung mit Erschießen mit angesetzter Pistole;

• „Hubschraubermethode“: Zusammenbinden der Hand- und Fußgelenke und Aufhängen durch einen Stock unter den Kniekehlen;

• Beinahersticken;

• Schlafentzug;

• Demütigung durch Verweigerung des Besuchs der Toilette;

• nackt ausziehen bei Verhören. In einigen Fällen führte die Folter nachweisbar zum Tod des Opfers. Darüber wurden sogar von offiziellen Stellen — vor dem Ausnahmezustand - Untersuchungen durchgeführt.

AI hat sich in zahlreichen Einzelappellen, durch gezielte Länderaktionen und mehrere größere Publikationen an die Regierung in Südafrika gewandt. Die Reaktionen waren ablehnend und defensiv.

Eine im Jänner 1978 erschienene Broschüre über Südafrika — der inzwischen andere folgten — wurde zunächst vorsorgend im Land verboten. Bald darauf erschien eine Replik unter dem Titel „Wie Amnesty lügt“. Kernaussage der Replik: Einige der von AI als zu Tode gefoltert Bezeichneten wurden zu Selbstmördern umgewandelt.

Wenn dem in allen elf von AI angeführten Fällen auch so gewesen wäre, was nicht einmal in allen Fällen behauptet wurde, bleibt die Frage, durch welche Foltermethoden diese Menschen in den „Selbstmord“ getrieben wurden.

Bei mehreren Besuchen der Botschaft der Republik Südafrika in Wien konnten Anliegen von AI vorgebracht werden. Immerhin kam es zu solchen Gesprächen und Kontakten, was bei den diplomatischen Vertretungen vieler anderer von AI inkriminierten Staaten nicht möglich ist. Zu einer Verständigung kam es aber nicht, nicht einmal in rein humanitären Fragen.

Die festgefahrene Argumentationslinie lautete etwa: Was sollen die Anschuldigungen von AI? Die Regierung halte sich streng an die vorhandenen Gesetze, Folter sei verboten, und die Gerichte arbeiteten unabhängig. Es würden sogar Polizeiübergriffe geahndet (was vor dem Ausnahmezustand noch tatsächlich geschehen ist).

Außerdem gäbe es Bemühungen, die kleinen Auswirkungen der Apartheid zu lindern (etwa Aufhebung der Paßgesetze und die Regelung über Bannung). Eine Einsicht in das eigentliche Unrecht eben der bestehenden Gesetze war nicht einmal andeutungsweise hörbar.

An einem dieser ,3otschafter-gespräche“ von AI waren — auf Ersuchen — auch die Abgeordneten zum Nationalrat Anneliese Albrecht und Josef Höchtl beteiligt.

In der Frage eines Wirtschaftsboykotts Südafrikas ist die EWG uneins, die USA tut als ob, Österreich versteckt sich — und Amnesty International sagt nichts dazu, hat einfach keine Meinung zu Fragen wirtschaftlicher Boykottmaßnahmen.

Hätte AI die Macht und den Einfluß, wirksame wirtschaftliche Boykottmaßnahmen gegen Staaten, die Menschenrechte eklatant verletzen, zu verlangen, zu verfügen oder gar zu kontrollieren, wäre der Welthandel einigermaßen gelähmt.

AI äußerte sich nicht zu den wirtschaftlichen Sanktionen seitens der USA gegen Polen, auch nicht gegenüber „Rhodesien“ und folgerichtig auch nicht gegen Südafrika.

Der Autor dieser Zeilen möchte aber doch über den AI-Horizont hinausgehen und feststellen, daß die klaren Äußerungen führender Vertreter der schwarzen Mehrheit in Südafrika, wie Erzbischof Desmond Tutu und des Ehrenvorsitzenden der United Democratic Front, Pfarrer Allan Boesak, jüngst in Wien, ausreichend Garantie dafür sind, daß wirtschaftliche Boykottmaßnahmen eine geeignete und zielführende Hilfsmaßnahme für eine positive, gerechte und menschenrechthche Veränderung sein können.

Im Zusammenhang mit der geplanten Reise von Mitgliedern des Klubs der Abgeordneten der ÖVP nach Südafrika wurde AI durch den Klubobmann Friedrich König via Fernsehen am Mittwoch, 26. August, ins Gespräch gebracht. Die österreichische AI-Sektion wurde damit überrascht, hatte doch bis dato außer einem kritischen Brief einer AI-Gruppe, die sich mit Südafrika besonders beschäftigt, kein Kontakt zwischen AI und der VP-Delegation stattgefunden. Auf den an Vizekanzler Alois Mock addressierten Brief war eine Antwort von Klubobmann König, datiert mit 17. Juli 1987, gekommen.

Es liegt AI fern, die „private“ Reise von österreichischen Abgeordneten irgendwie zu kommentieren, vor allem unterstellen wir keinerlei Absichten in Richtung Unterstützung der Apartheid.

Sollte aber durch die Äußerungen des Klubobmanns König der Eindruck entstanden sein, die Reise der Abgeordneten hätte eine offizielle Amnesty-Relevanz, ist klarzustellen, daß AI nur aus eigener Überlegung, Beratung und Beschlußfassung offizielle Delegationen entsendet.

Uber die Reise der Mitglieder des Klubs der österreichischen Volkspartei ist erst noch ein Gespräch zu führen. Vielleicht kann sie dann doch etwas Positives bewirken.

Der Autor ist Vorsitzender der österreichischen Sektion von Amnesty International.

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