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117 Staaten der Welt am Pranger

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Die Bilanz der Gefange-nenhilfeorganisation a. i. schaut auch für das Jahr 1981 düster aus: In 117 Staaten der Welt wurden mehr oder weniger gravierende Menschenrechtsverletzungen festgestellt!

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Die Bilanz der Gefange-nenhilfeorganisation a. i. schaut auch für das Jahr 1981 düster aus: In 117 Staaten der Welt wurden mehr oder weniger gravierende Menschenrechtsverletzungen festgestellt!

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Als Ironie des Schicksals ist es zu werten, daß drei Tage nach dem „Tag der Menschenrechte", dem 10. Dezember 1981, übrigens jener Tag, an dem der Friedensnobelpreis verliehen wird, polnische Truppen den Traum vom Warschauer Frühling im nächtlichen Handstreich zerschlugen.

Drei Tage nachdem amnesty international aus Anlaß der Veröffentlichung seines Jahresberichts zur Lage der Menschenrechte konstatieren konnte, daß die Zahl der politisch Verfolgten in Polen sich auf eine Handvoll Aktivisten nationalistischer Prägung redu-zierthabeundsichdasAusmaßder Verfolgung spürbar verringere.

fuhren die Arrestantenwagen von Militär und Polizei Dauereinsätze in Polen.

amnesty international erreichten Notrufe der Inhaftierten und das Schicksal Hunderter, ja Tausender Polen erinnerte in den späten Dezembertagen an jenes der in chilenischen Fußballstadien 1973 zusammengetriebenen Sozialisten.

Das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen, der Rückfall in eine Ära der politischen Verfolgung weit vor 1980 beweist auf tragische Art, unter welchem Gesichtspunkt die Menschenrechtsverletzungen, die amnesty international 1981 in insgesamt 117 Staaten (zum Vergleich: es gibt 156 UNO-Mitgliedsstaaten) feststellte, gesehen werden müssen.

Im Zeitalter international anerkannter Menschenrechtspakte, der UNO-Menschenrechtsdekla-ration, in einer Zeit, in der viele Staaten eben diese unveräußerlichen Rechte jedes Menschen als Teil ihrer Gesetzgebung oft ihrer Verfassung verankert haben, werden Menschen gefoltert, ermordet mit Billigung oder Wissen dieser Regierungen, werden Frauen und Kinder verschleppt, „verschwinden" politisch Mißliebige wie zur. Zeit Hitler-Deutschlands über Nacht, gibt es Straflager.

Dabei gibt es keine spezifischen Unterschiede in der Art der Verfolgung, wenn man das Ausmaß der politischen Repression nach Kontinente hin untersucht.

In Afrika - vor allem in Staaten jenseits der Sahelzone — zählt ein

Menschenleben eines politischen Oppositionellen wenig. Mit Ausnahme des Staates Kap Verde sieht nämlich die Gesetzgebung aller afrikanischen Länder die Todesstrafe vor. Und diese wurde auch häufig vollstreckt, amnesty international gingen Berichte über Vollstreckungen aus Angola, Äthiopien, Kenia, Liberia, Mo-sambique, Südafrika, Zaire, Burundi, Ghana und Zimbabwe zu.

In den beiden Amerika war auch 1981 eine eklatant hohe Anzahl an Menschenrechtsverletzungen zu vermelden. Die Form des „Verschwindens" als politische Unterdrückung (besonders in Argentinien und Chile, aber auch in Brasilien und Paraguay), das Praktizieren der Folter sowie willkürliche Verhaftungen,

Scheinexekutionen und lange dauernde Haft ohne Gerichtsverfahren zählen zu den Verbrechen wider die Menschenrechte, die amnesty international in vielen Fällen feststellen mußte. Was das „Verschwinden" politischer Oppositioneller anlangt, startete amnesty eine eigene Kampagne, um auf dieses Phänomen besonders hinzuweisen.

In den USA bereiten amnesty international nach wie vor Todesurteile und Hinrichtungen große Sorge. So waren am Stichtag 20. April 1981 insgesamt 794 Personen zum Tode verurteilt. Hinrichtungen fanden in der englischsprachigen Karibik, eine auf Jamaika und eine weitere auf den Bahamas statt.

In den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas stellte amnesty international in den zurückliegenden Monaten Folterungen und Mißhandlungen von Gefangenen fest, und beklagt auch eine deutliche Häufung von Hinrichtungen.

„Umerziehungslager" in Vietnam und in Laos werden genauso angeprangert, wie die unmenschliche Behandlung von politischen Gefangenen und Untersuchungshäftlingen in Indien durch die dortigen Polizeibehörden, amnesty international hat etwa im Fall Indiens gesicherte Beweise dafür, daß aufgrund von Folterungen politische Häftlinge gestorben sind.

Ein für asiatische Verhältnisse typisches Instrument zur Unterdrückung der politischen Opposition ist die Langzeitinhaftierung, die sich nicht nur gegen den Gefangenen selbst richtet, sondern auch den auf freiem Fuß befindlichen Sympathisanten signalisieren soll, ihre Zunge im Zaum zu halten.

In Taiwan etwa kennt amnesty international politische Häftlinge, bei ai werden diese auch „Gewissensgefangene" genannt, die schon länger als 30 Jahre in Haft gehalten werden. Ähnliche Fälle von Langzeitinhaftierung werden aus Malaysia, Indonesien, Singapur und der Brunei gemeldet.

Wie hoffnungslos sich Hunderte Gefangene in den Ländern dieses Kontinents fühlen, geht aus zahlreichen Briefen hervor, die amnesty international im Lauf der vergangenen zehn Jahre von freigelassenen Politgefangenen erhalten hat.

In Pakistan etwa, aber auch in Bangla Desh, wurden Hunderte Gefangene vor Gericht gestellt, ohne die Möglichkeit zu haben, einen Anwalt zu ihrer Verteidigung — also nicht einmal einen Pflichtanwalt — zugesprochen zu bekommen. Auch das Rechtsmittel der Berufung wurde ihnen verwehrt. Ausgeliefert der staatlichen Allmacht, verurteilte sie das Gericht zu langjährigen Haftstrafen.

Nicht nur zu lange dauernden Haftstrafen, sondern auch zu Zwangsarbeit in Lagern oder zur Zwangspsychiatrierung in Kliniken werden „Abweichler" von der herrschenden Meinung in Ostblockstaaten „verurteilt". Dabei ist etwa die „Behandlung" in Psychiatrien kein sowjetisches Spezi-fikum. Auch in Rumänien wird der Einsatz von psychisch deformierenden Medikamenten und die bloße Einweisung in Kliniken als Mittel der politischen Repression eingesetzt.

amnesty international bestätigt in ihrer Bestandsaufnahme zur Lage der Menschenrechte, daß in der DDR ausreisewillige Personen—ihre Zahl geht in die Hunderte — inhaftiert oder anderen Formen der Unterdrückung und Belästigung ausgesetzt waren. Die Verfolgung von politisch Andersdenkenden in der CSSR, in Bulgarien, in Österreichs Nachbarland Jugoslawien, aber auch in Albanien zählt zur traurigen Routine der politischen Repression in den Ostblockstaaten, wobei eine ganze Palette an Unterdrückungsmethoden angewendet wird.

Aber nicht nur in den Staaten Osteuropas muß amnesty international Menschenrechtsverletzungen registrieren. Auch im westlichen Teil Europas — wie etwa in Spanien, in der Türkei, in Griechenland, aber auch in der BRD und Großbritannien — werden Menschenrechtsverletzungen unterschiedlicher Art aufgedeckt.

In den beiden Ländern, die an den Flanken Europas liegen — Spanien und der Türkei — verifizierte amnesty international grausame Foltermethoden — etwa mit Elektroschocks.

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