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IM VISIER DER VEREINTEN NATIONEN

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Seit 1969 berichtet gemäß der Resolution 1745 (LIV) jedes fünfte Jahr der UNO-Generalsekretär vor dem Economic and Social Council (ECOSOC) über den Stand der Todestrafe in der Welt. Dabei kann er sich nur auf jene Daten stützen, die die Länder herausrücken. Der UNO-Zu-standsbericht über die Zahl der verhängten und exekutierten Todesstrafen ist daher mit Vorsicht zu genießen.

Trotz gezinkter Zahlen lassen die Berichte seit 1969 erkennen, daß die Bewegung zur Abschaffung der Todesstrafe bis heute kaum Fortschritte erzielt hat. Aufgrund des Artikel 3 der Menschenrechtserklärung und des Artikels 6 der Internationalen Konvention bezüglich der bürgerlichen und politischen Rechte kann man von einem international garantierten Recht auf Leben sprechen. Ein Zusatzprotokoll dieser Konvention hat die Abschaffung der Todesstrafe zum Inhalt. Das Ziel der Vereinten Nationen ist es, erst einmal die Zahl der mit der Todesstrafe sanktionierten Vergehen zu reduzieren, dann, die Todesstrafe gänzlich abzuschaffen. Auf ihrer 44. Session hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen das erwähnte Zusatzprotokoll der Konvention über bürgerliche und politische Rechte übernommen. Damit hat man - erstmals in der Geschichte - ein juridisches Instrument zur Abschaffung der Todesstrafe.

Nach dem jüngsten UNO-Bericht über die Todesstrafe, er umfaßt den Zeitraum 1984 bis 1988, sieht die Lage von Region zu Region unterschiedlich aus. Die neuesten Daten von Amnesty International vom Jänner 1990 bestätigen die gesetzliche Abschaffung der Todesstrafe in 77 Ländern, in 39 Staaten gibt es keine Ausnahmeregelungen, 17 Länder kennen Ausnahmen wie beispielsweise Kriegsverbrechen, 21 Länder haben eine De-facto-Abschaffung derTodes-strafe, weil es bei ihnen seit zehn Jahren keine Hinrichtung mehrgegeben hat. Die UNO konstatiert eine weltweite Tendenz in Richtung Abschaffung der Todesstrafe auf gesetzlicher Basis.

2.429 Todesurteile

Im letzten UNO-Be-richt zeigt sich die Weltorganisation über 2.429 Todesurteile im Berichtszeitraum informiert. 2.157 wurden wegen Mordes verhängt, 144 für Verbrechen gegen den Staat, 37 wegen Drogenhandels, fünf für Vergewaltigungen, eine für Blutschande, zwei wegen Spionage, zwei wegen Geiselnahmen. Von 3T4 Hinrichtungen fallen 241 auf Verbrechen gegen den Staat, sechs auf Drogenhandel, eine auf Waffenhandel, drei auf Mißbrauch des Privateigentums, zwei auf Spionage und eine auf Vergewaltigung. Laut UNOBericht 1984 bis 1988 haben die USA* Polen, Thailand und Tunesien 38 Hinrichtungen pro Land exekutiert.

In einigen Ländern, in denen die Todesstrafe noch immer verhängt wird, gibt es eine ganze Serie von Verbrechen mit Androhung der Todesstrafe. Darunter fallen Verbrechen gegen den Menschen, das heißt, Mord, Vergewaltigung, Raub etcetera, und gegen den Staat, das heißt, Landesverrat, Verbrechen gegen den Präsidenten der Republik oder Konspiration zum Umsturz sowie militärische Straftaten. Andere Länder wiederum verurteilen Menschen zum Tode in Fällen falscher Zeugenaussage, die zur Exekution eines Unschuldigen geführt hat, wegen Drogenhandels, Geiselnahme, Flugzeugentführung, Beihilfe zum Selbstmord eines Kindes oder eines Debilen, wegen Vergiftens von Grundwasser und Brunnen, wegen Brandlegung und Überflutung von Ortschaften und auch wegen Waffenhandels.

Aufgrund der UNO-Analysen kennt ein Gutteil der Staaten zwar die Todesstrafe für mehrere Verbrechenstypen, aber führt sie nicht aus trotz eines ausgesprochenen Todesurteils. Im Gegensatz dazu sehen andere Länder die Todesstrafe als Abschreckung an. Wissenschaftlich ist nicht abgesichert, ob Hinrichtungen eine größere Ab-schreckungfcwirkung haben als Langzeitgefängnisstrafen.

Aus diesen Gründen hat die Weltorganisation im ersten UNO-Kongreß

zur Verbrechensverhütung und zur Behandlung der Delinquenten in Havanna (Kuba) vom 27. August bis 7. September 1990 einen Appell an die Staaten gerichtet, zu einem Todesstrafen-Moratorium von drei Jahren zu kommen, um in diesem Zeitraum prüfen zu können, wie man zu einer neuen internationalen Strafordnung kommen könnte. Die UNO wollte mit diesem kurzfristigen Stop vor allem die psychologischen Auswirkungen untersuchen lassen. Der Vorschlag wurde auf dem Kongreß jedoch abgelehnt.

UNO-Erziehungsprogramme

Es gibt Länder, die sich auf ihre Öffentlichkeit als Faktor berufen, die Todesstrafe beizubehalten. Andere wiederum haben die Todesstrafe abgeschafft, obwohl ihre Öffentlichkeit diese unterstützt hat. Die UNO will Programme zur Erziehung der öffentlichen Meinung hinsichtlich der Todesstrafe entwickeln. Denn nicht selten sind es spontane Reaktionen auf einige Formen von Verbrechen, die den Ruf nach dem Henker laut werden lassen. Die Erziehungsprogramme sollten besonders die Achtung vor dem menschlichen Leben zum Inhalt haben und auch zeigen, daß die Todesstrafe keine abschreckende Wirkung hat.

Eine allgemeingültige Analyse der Situation der Todesstrafe ist leider nicht möglich. Die Regierungen stellen dazu der UNO nicht genügend Daten zur Verfügung. Denn die Informationen der UNO alle fünf Jahre geben nur die Antworten der Staaten wider, zeigen aber nicht die wirkliche Situation in der Welt.

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