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Das immer wiederkehrende Thema

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TODESSTRAFE - JA ODER NEIN? Von Wolf Middendorf. Verlag Rombach, Freiburg.

79 Seiten. Preis 5.80 DM.

Die Fragestellung dieses Büchleins bewegt immer wieder die Gemüter. Je nachdem, ob ein besonders brutal verübtes Verbrechen seine Sühne finden soll oder ob eine Verurteilung als Justizirrtum aufgedeckt wurde, mehren sich die Stimmen für oder gegen die Todesstrafe. In die vielfach wirren und unsachlichen Argumente bringt das vorliegende Büchlein eines deutschen Richters sichtende Ordnung.

Einem Querschnitt durch die theologisch-philosophischen Stellungnahmen zur Todesstrafe im Laufe der Zeit bis heute folgt als Hauptteil die Auseinandersetzung mit den kriminologisch-strafrechtlichen Argumenten für die Todesstrafe. Der Verfasser zeigt sich hier als sachlicher Gegner der Todesstrafe, der es versteht, zugunsten seines Standpunkts ein klar gegliedertes Beweismaterial aufzubieten, das jeder kennen sollte, der in dieser Frage mitreden will. Die Widerlegung der These von der abschreckenden Wirkung der Todesstrafe geschieht unter Benützung soziologischer, psychiatrischer und statistischer Untersuchungen, wobei die Fachliteratur Deutschlands, Englands und der USA in leicht faßlicher Weise verwertet wird.

Der Forderung nach einer Wiedereinführung der, bekanntlich auch in Österreich für das ordentliche Verfahren abgeschafften, Todesstrafe stellt der Verfasser die von den Kriminologen geteilte Auffassung entgegen, daß für die Verbrechensabschreckung in erster Linie nicht die Höhe der Strafe, sondern die Sicherheit der Strafverfolgung maßgebend ist. Wie wenig hier die Meinung der Fachleute einem Verständ-

nis bei der breiten Bevölkerung begegnet, zeigen Umfragen, die in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1954 88 Prozent und im Jahre 1961 immerhin noch 63 Prozent für die Todesstrafe ergaben.

Besonders verdienstlich an dieser Untersuchung über das Für und Wider der Todesstrafe ist die klare Scheidung der Frage, in welcher Weise eine verwerfliche Tat ihre Sühne finden soll, von der ausschließlich strafprozessual beurteilbaren Erweisbarkeit der Tat. Jeder Richterspruch trägt die Möglichkeit des Irrtums in sich, der im Interesse der Aufrechterhaltung einer geregelten Gemeinschaftsordnung eben nur in Kauf genommen werden kann, solange dadurch nicht das Leben eines Menschen selbst ausgelöscht wird. Das Buch macht damit auf seine Weise deutlich, daß der Mensch über das Gut des Lebens in keinem Falle verfügungsberechtigt ist, das heißt, wie wir hinzufügen möchten, folgerichtig auch dann nicht, wenn sich das Leben noch im Stadium der Leibesfrucht befindet. Mit Recht verweist der Verfasser in diesem Zusammenhang schließlich auf den Canon 984 des Codex, der den Richter, „qui mortis sententiam tulit“, irregulär also unfähig für den Empfang der geistlichen Weihen werden läßt.

Wegen der ähnlichen Rechts- und Problemlage in Österreich und in Deutschland kann dieses Büchlein somit vielseitige Anregung und Unterrichtung bieten,“ selbst wenn man hin und wieder einzelne Ansichten des Verfassers nicht zu teilen vermag.

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