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Repräsentativbeispiel Todesstrafe
Vor 25 Jahren wurde im österreichischen Parlament die Todesstrafe auch im außerordentlichen Verfahren einstimmig abgeschafft, nachdem sie schon 1950 mit Mehrheit im ordentlichen Verfahren abgeschafft worden war. Österreich hat seit dem historischen Beschluß in den fünfziger und sechziger Jahren auch europaweit den Kampf gegen die Todesstrafe geführt; vor allem der langjährige Justizminister Christian Broda, dessen Reformideen sonst nicht immer unproblematisch waren, hat sich in dieser Frage zum überzeugten und überzeugenden Vorkämpfer einer humanen Idee gemacht, die leider noch zu wenig Eingang in die Rechtspraxis der Vereinigten Staaten gefunden hat, in Europa aber große Erfolge verzeichnen kann.
Der historische Beschluß von 1950, der der Anfang vom Ende der Todesstrafe in Österreich war, verdient aber noch aus einem anderen Grund erinnert und gewürdigt zu werden. Die Todesstrafe wurde 1950 zu einer Zeit abgeschafft, als die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung noch keineswegs für den Verzicht auf dieses fälschlich noch immer für wirksam gehaltene Mittel der Kriminalpolitik war. Und auch heute, da an sich gute Voraussetzungen dafür bestehen, daß die Achtung der Todesstrafe auch eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hätte, hinge der Ausgang einer solchen Abstimmung davon ab, ob nicht ein konkreter Mordfall die Gemüter heftig bewegte und in Richtung Todesstrafe ausschlagen ließe.
Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, daß sich nicht alle Fragen und Materien für eine plebiszitä-re Behandlung eignen und daß wir aus guten Gründen eine Repräsentativdemokratie haben, die die Verantwortung für politische Entscheidungen den gewählten Mandataren und nicht der Bevölkerung überläßt. Die Gründe für die Repräsentativdemokratie liegen nicht nur im Argument der' Arbeitsteilung, denn eine jederzeitige Entscheidung über alle Fragen würde die Gesellschaft in ein aufgeregtes Durcheinander verwandeln. Der Hauptgrund, der für die Repräsentativdemokratie spricht, ist, daß es die Aufgabe der politischen Führung ist, dem empirischen Willen der Bevölkerung voraus und nach dem Prinzip des freien Mandates nicht im Einzelfall von ihm abhängig zu sein.
Deshalb sollten Institute der direkten Demokratie nur subsidiär bemüht und eingesetzt werden, wenn nicht der Demagogie auf allen Ebenen Tür und Tor geöffnet und der demokratische Prozeß ad absurdum geführt werden soll. Auch die Politiker ihrerseits sollten nicht der Versuchung erliegen, politische Verantwortung, die sie durch die Wahl übertragen erhalten haben, zurückzudelegieren und sich so ihrer beschworenen Pflicht zu entziehen.
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