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Der Oberst und die Gefangenen

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Nach ihrem Austritt aus dem Europarat, mit dem sich die griechische Militärregierung der Reichweite ihrer Kritiker weitgehend entzogen hat und der Klarstellung ihres Außenministers Pipinellis, daß der Ausbau der Athener Handelsbeziehungen zum Ostblock keinen Wechsel im antikommunistischen und prowestlichen Kurs der Junta bedeute, steht das Regime von Papadopoulos und Gefährten außenpolitisch so fest wie kaum einmal nach der Machtergreifung am 21. April 1967 da. Was dem griechischen Regime selbst in den Augen einer noch so wohlwollenden Beurteilung immer wieder Schatten aufsetzt, das ist vor allem die hohe Zahl politischer Gefangener, über deren Behandlung recht unerfreuliche Informationen vorliegen.

Inhaftierte, Internierte, Exilierte

Während offizielle Athener Stellen ausweisen, daß sich die Zahl der 6000 nach der Machtergreifung erst im Stadion von Piräus und dann auf den Insellagern Yaros und Leros konzentrierten Regimegegnern auf 1800 verringert habe, gibt der letzte Rot-Kreuz-Bericht rund 3000 Personen an, die ohne Haftbefehl und Gerichtsurteil in Konzentrationslagern, Militärcamps, in Untersuchungsgefängnissen und auf Polizeiwachen ständig festgehalten sind. Rechnet man dazu noch jenen Perso-.nenkreis, der auf Grund rein politischer Delikte — also nicht wegen Bombeniegens und anderer Terrorakte — von den Kriegsgerichten abgeurteilt wurde, sowie die unter Hausarrest gestellten oder nach Inseln und Bergdörfern verbannten

Männer und Frauen, so liegt die Gesamtzahl der politischen Inhaftierten, Internierten und Exilierten über 10.000.

Bei der ersten Gruppe, den Häftlingen der Konzentrationslager Yaros (heute aufgelöst), Leros und Oropos, handelt es sich ausschließlich um Linksverdächtige, wobei sich unter den Inhaftierten sowohl gefährliche Partisanenführer aus dem griechischen Bürgerkrieg wie harmlose Linksintellektuelle befinden. Der für die Errichtung der Konzentrationslager verantwortliche Oberst Ladas war anfangs bei der Einweisung recht brutal vorgegangen, so daß sich unter seinen Opfern auch schwangere Frauen, alte Leute über 80, Schwerkranke und Ausländer befanden. Nicht alle Mitglieder der „Nationalen Erhebung“ waren glücklich über seine Polizeimethoden, und ihrem Einfluß sowie dem Drängen des Internationalen Roten Kreuzes war es zu verdanken, daß noch vor Ende

1967 die Hochbetagten und Kranken aus den Lagern entlassen wurden; für die Freilassung der Ausländer — meist Griechen und Griechinnen mit doppelter Staatsbürgerschaft — hatten inzwischen schon ihre Botschaften in Athen gesorgt.

1968 wurden dann wiederholt größere Gruppen aus den Lagern gegen Unterzeichnung von Loyalitätserklärungen für das Militärregime entlassen, wofür sich besonders Innenminister Pattakos einsetzte. Dann aber tauschen auffallend oft in der Presse Meldungen über „rückfällige KZ-Häftlinge“ auf, die beim Flugblattverteilen oder an illegalen Druckpressen ertappt worden seien.

Die Freilassungen haben seitdem wieder rapid abgenommen.

Die Nobelhäftlinge

Zum Unterschied von diesen der demokratischen oder kommunistischen Linken zugehörigen Lagerinsassen, die den Obersten durch ihre Vergangenheit suspekt erscheinen, rekrutieren sich die Dauerinsassen der Untersuchungsanstalten und Polizeiwachen aus aktiven Regimegegnern, aus königstreuen Offizieren, Mitgliedern von Widerstandsorganisationen und Politikern der Rechten und Mitte von geringer Prominenz. Sie erscheinen überhaupt nie oder erst nach ein bis zwei Jahren vor dem Kriegsgericht, und aus ihren Reihen stammten die meisten Zeugen der europäischen Menschenrechtskommission für die systematische Folterung politischer Gefangener in Griechenland, während aus den Lagern wohl Schikanen und Entbehrungen, aber kaum regelrechte Folter bezeugt wurden. Die politische Prominenz der Konservativen und Liberalen wird hingegen von der Junta mit Rücksicht auf das Ansehen dieser Männer im In- und Ausland vorsichtiger angefaßt: Ehemalige Regierungschefs und Minister wie Kanellopoulus, Ste-fanopoulos und Averoff kommen nicht ins Gefängnis, sondern werden zwischen Phasen der Freilassung in ihren Wohnungen arrestiert, auf Inseln verbannt oder erhalten Zwangswohnsitze in kleinen Dörfern der Provinz zugewiesen. Es wäre zu wünschen, daß diese menschlichere und doch ebenso effektvolle Praxis auch auf die KZ- und Untersuchungsgefangenen angewandt werde.

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