6877958-1978_50_05.jpg
Digital In Arbeit

„Wenig Grund zum Feiern“

Werbung
Werbung
Werbung

„Niemand von uns kann mit dem heute auf der Welt bestehenden Zustand der Sicherung der Menschenrechte zufrieden sein. Und niemand von uns darf sich damit zufrieden geben, wollen wir die uns gegebenen Jahre nützen, die Welt wenigstens ein kleines Stück schöner zu gestalten und besser machen“, erklärte Bundespräsident Rudolf Kirchschläger anläßlich einer Gedenkfeier zum Tag der Menschenrechte, die im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen stattfand.

Ernüchterung in Zusammenhang mit der Verwirklichung der Menschenrechte in der Welt vernahm man auch aus den Worten anderer Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich aus Anlaß des 30. Jahrestages der Verkündigung der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ durch die Vereinten Nationen zu Wort gemeldet hatten:

Die Vorsitzende der Sozialistischen Frauen Wiens, Abgeordnete Anneliese Albrecht, sagte, daß 30 Jahre nach der Deklaration der Menschenrechte und 25 Jahre nach der Europäischen Menschenrechtskonvention in den meisten Staaten der Welt die Menschenrechte mehr verletzt als gewahrt würden.

Nationalratspräsident a. D. Alfred Maleta, Ehrenpräsident der österreichischen Liga für Menschenrechte, stieß in dasselbe Horn, als er anläßlich einer Festversammlung in Wiener Neustadt am vergangenen Samstag meinte: „Leider gibt es wenig Grund zum Feiern des Jubiläumstages der Deklaration einer großartigen, menschenwürdigen Idee, aber viel prund zum Nachdenken, wie wir diese vor dem Absterben bewahren können, weil gegen sie weltweit gesündigt wird.“

Präsident Maleta gab auf der gemeinsam von der Liga für Menschenrechte und der Stadt Wiener Neustadt veranstalteten Festversammlung dennoch eine optimistische Zukunftssicht: „Ich glaube an das Uberleben unserer Gesellschaftsordnung, weil sie jene Freiheit sichert, die wir als Luft zum Atmen brauchen. Verzweifeln wir daher angesichts der vielen Schwierigkeiten nicht! Wir werden die Antwort auf die Frage Quo vadis, homo? sicher finden, wenn wir den Bruder im anderen Menschen in einer toleranten Begegnung suchen.“

Gegen die Todesstrafe

Rund 1500 vor allem jüngere Menschen hatten sich in Mauthausen zusammengefunden, wo Amnesty International, die Junge SPÖ, Gewerkschaftsjugend, Junge ÖVP, Kampagne für Menschenrechte, Katholische Aktion und der Pazifistische Club für Sonntag zu einer gemeinsamen Kundgebung aufgerufen hatten. Neben Bundespräsident Kirchschläger, aus dessen Rede wir auf S. 1 zitieren, nahmen auch Justizminister Christian Broda und der oberösterreichische Landeshauptmann, Josef Ratzenböck, an dieser Veranstaltung teil. Zum Auftakt hatte Weihbischof Alois Wagner eine Messe in der Pfarrkirche von Mauthausen zelebriert.

Ratzenböck erklärte, daß innerhalb eines demokratischen Staates wie Österreich die Menschenrechte nur dann ihre volle Anwendung finden könnten, wenn alle staatstragenden politischen Parteien sich nur als Teil des Ganzen sähen und für sich nicht die alleinseligmachende Wahrheit in Anspruch nähmen: „Nur eine partnerschaftliche, vom Geiste der Toleranz und des Respektes vor der Person und Meinung des anderen getragene Gesellschaftspolitik vermag den Bestand der Demokratie und damit die Menschenrechte in entsprechender Form zu bewahren.“

Justizminister Broda sprach sich entschieden gegen die Todesstrafe aus: „Gerade wer die Vernichtung

von Menschenleben auch in gesetzlich sanktionierter Form ablehnt, kann der tiefen Inhumanität der Gewalt und des Terrorismus mit ganzem Nachdruck entgegentreten. Gerade deshalb werden wir unseren Weg zu reiferen und höheren Formen des Zusammenlebens der Menschen - ohne Gewalt und Terror, ohne Folter, ohne grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe der Behandlung und ohne Todesstrafe -weitergehen.“

Wo immer Menschenrechtsverletzungen auftreten würden, werde sie Österreich auch in Zukunft verurteilen, meinte Außenminister Willibald Pahr in einer Stellungnahme. Pahr schränkte allerdings ein: „Das Eintreten für Menschenrechte darf nicht zum Ausgangspunkt für politische Propaganda werden.“ Die Schlußakte von Helsinki wertete der Außenminister als wichtigen Fortschritt,

Gegen Radikalismus

Abgeordneter Josef Höchtl, Bundesobmann der Jungen ÖVP, meinte im Pressedienst seiner Partei, daß für Christdemokraten Menschenrechtsverletzungen Unrecht blieben, egal ob sie von Kommunisten oder Faschisten begangen würden. Höchtl forderte dazu auf, „gegen Opportunismus, gegen Anpassung, gegen feige Unterwürfigkeit und gegen selbstgefällige Schwachheit“ aufzutreten. Jede Form des Radikalismus müsse bekämpft werden.

Für die österreichische Sektion der internationalen Gefangenhilfsorganisation Amnesty International geht indessen die mühsame Arbeit für die Freilassung politischer Gefangener in aller Welt weiter. Aus dem Rechenschaftsbericht über 1978 geht hervor, daß im Laufe dieses Jahres 63 Gefangene freigelassen wurden, die von österreichischen Adoptionsgruppen betreut worden waren. Im selben Zeitraum wurden 103 neue Fälle adoptiert. Insgesamt betreuen die 78 österreichischen Gruppen 183 Gewissensgefangene in aller Welt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung