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Jahr der Menschenrechte

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Diskussionen über die Verletzung von Menschenrechten sind in der österreichischen Öffentlichkeit -wenn auch noch nicht in der tagespolitischen Szene - in den letzten Jahren mehr und mehr heimisch geworden. Dieser Umstand ist insbesondere der Gefangenenhilfsorganisation Amne-sty-International zu danken, der, nach einer Phase abwartender Skepsis, Respekt und Anerkennung von allen Lagern entgegengebracht wird. Die bewußtseinsbildende Arbeit von Amnesty hat auch in Österreich erkennen lassen, daß ein bedingungsloses Eintreten für die Einhaltung der Menschenrechte in allen Ländern der Erde, in Linksdiktaturen wie in Rechtsdiktaturen, gegen das Zauberwort Entspannung“ niemals eingetauscht werden kann und darf.

Die Arbeitsweise von Amnesty, die den Verdacht politischer Einseitigkeit gar nicht erst aufkommen lassen soll, hat sich im großen und ganzen sehr bewährt: Die politischen Gefangenen werden von den einzelnen Amnesty-Gruppen nicht nach Lust und Laune „adoptiert“, sondern nach einem eisernen Schema: Jede Gruppe betreut einen Gefangenen aus einer Linksdiktatur, einen aus einer Rechtsdiktatur und einen aus einem Land der Dritten Welt.

Wie wichtig eine ausgewogene Beurteilung der Menschenrechtsfrage ist, hat gerade der jüngste Jahresbericht von Amnesty deutlich vor Augen geführt: Die Tatsache, daß sich dieser Jahresbericht auch mit den Haftbedingungen der RAF-Gangster in der Bundesrepublik auseinandersetzt, hat den Aktivisten von Amnesty gleich eine gehörige Portion Kritik und Ablehnung eingetragen. Sicherlich liegt Amnesty richtig, wenn gepredigt wird, daß die Menschenrechte nicht teilbar sind, daß auch Terroristen trotz der Bestialität und Brutalität ihrer Taten Menschen (nicht politische Gefangene!) sind, die auch als Menschen behandelt werden wollen. Fraglich ist nur, ob Amnesty seiner eigenen Mission solcherart einen guten Dienst erweisen kann, ob esnicht besser (diplomatischer) wäre, das Schweigen dem Reden vorzuziehen. Konsequenterweise muß dann aber auch an Kardinal König die Frage gerichtet werden, ob er nicht ein besserer Diplomat gewesen wäre, wenn er an der Zellentüre von Waltraud Boock vorbeigegangen wäre. Vielleicht aber wollte er kein Diplomat sein...

Anläßlich des Jahres der Menschenrechte hat sich auch in Österreich eine Arbeitsgemeinschaft konstituiert, die sich müder vereinten Kraft der insgesamt 15 kirchennahen Mitgliedsorganisationen einer „Kampagne für die Menschenrechte“ verschrieben hat. Hand in Hand mit Amnesty will diese Arbeitsgemeinschaft auch gegen die Folter zu Felde ziehen. In einem Grundsatzdokument heißt es dazu:, flach einer Phase der Eindämmung der Folter seit dem 18. Jahrhundert erleben wir einen schweren Rückschlag. Die Folter als .administrative Praxis' ist wieder aktuell: Neben althergebrachten Torturen treten nun auch durch Wissenschaft und Technik bereitgestellte neue psychische, physische und pharmakologische Foltermethoden, die auf die Brechung der Persönlichkeit ausgerichtet sind. Amnesty International hat einen umfassenden Bericht über die Folter erarbeitet, der mit erschrek-kender Deutlichkeit weltweit ein Umsichgreifen der Folter nachweist: Mehr als 60 Länder Afrikas, Amerikas, Asiens und Europas werden in der ,Welt-übersicht der Folter' angeführt.“

Aus der großen Zahl der von schweren Menschenrechtsverletzungen betroffenen Gebiete will die Arbeitsgemeinschaft zwei Schwerpunkte herausgreifen: Brasilien und die CSSR. In dem einen Land geht es um die Überwindung der Folter sowie der unmenschlichen Behandlung von Gefangenen, um den Schutz der Indianer sowie der Kleinbauern und Landarbeiter; in dem anderen Land geht es um Hilfe für jene Menschen, die ständigen Schikanen und Repressalien ausgesetzt sind, weil sie einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ errichten wollen oder weil sie vom Recht auf Freiheit der Religionsausübung Gebrauch machen wollen.

Die von der Arbeitsgemeinschaft initiierte Kampagne will aber die Augen vor Österreich nicht verschließen: „Trotz einer sehr starken rechtlichen Verankerung des Schutzes der Menschenrechte zeigt die Praxis des Alltags, daß es in Österreich tatsächlich auch Verletzungen der Menschenrechte gibt.“ Gemeint sind damit vor allem die Diskriminierung von Gastarbeitern und von ethnischen Minderheiten, die Behandlung psychisch Kranker oder Strafgefangener.

Manchem mag eine selbstkritische Betrachtung der Situation im eigenen Lande als übertrieben, unangemessen erscheinen. Doch nur mit dem Finger auf andere Länder zeigen und selbst den Pharisäer spielen, ist halt auch zu billig.

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