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Wen gehen die Menschenrechte an?
Kürzlich habe ich an einem von der Katholischen Medienakademie veranstalteten Seminar zum Thema „Kirche und Menschenrechte" teilgenommen. Da sich die Vielfalt der überaus interessanten Vorträge und Diskussionen kaum wiedergeben läßt, möchte ich mich nur mit einem mir wichtig erscheinenden Aspekt beschäftigen.
Kürzlich habe ich an einem von der Katholischen Medienakademie veranstalteten Seminar zum Thema „Kirche und Menschenrechte" teilgenommen. Da sich die Vielfalt der überaus interessanten Vorträge und Diskussionen kaum wiedergeben läßt, möchte ich mich nur mit einem mir wichtig erscheinenden Aspekt beschäftigen.
Seit der Deklaration der Menschenrechte sind dreißig Jahre vergangen, und die Frage drängt sich auf: Hat sich eine Entwicklung zum Besseren ergeben?
Die Ereignisse in Vietnam, Kambodscha, Chile, Argentinien, in Südafrika, der Sowjetunion oder der CSSR (um nur einige zu nennen) machen deutlich, daß das Kernproblem unserer Zeit in der Umsetzung der Ziele liegt.
Es fehlt nicht an den formulierten Rechten, es fehlt an der Bereitschaft, diese Rechte wirksam werden zu lassen, an den Instanzen, sie durchzusetzen!
Heißt das, daß der Ruf nach internationalen Schutzmaßnahmen für Menschenrechte, nach einer UNO-Instanz mit Sanktionsmöglichkeiten laut werden müßte? Einiges ist an diesem Gedanken verlockend. Wir müssen uns aber die Frage stellen: Kann man Menschenrechte mit Zwangsmaßnahmen oder Gewaltanwendung zur Geltung bringen? Ist das nicht ein Widerspruch in sich?
Was bedeutet das aber für die, denen Menschenrechte ein Anliegen sind? Es gilt sicher, überall dort, wo diese Grundrechte verletzt werden, anklagend die Stimme zu erheben, auf Mißbräuche aufmerksam zu machen, den Verfolgten beizustehen und zu helfen.
Allerdings neigen wir dazu, unser Augenmerk allzu sehr auf Mißstände in anderen Ländern zu richten. Wir sollten uns daher einmal fragen: Wie sieht es denn bei uns aus? In Österreich?
Sicher ist Österreich eines jener Länder, in denen die Menschenrechte relativ weitgehend verwirklicht sind. Aber hier stockt eigentlich schon der Fluß der Worte. Stimmt denn diese Aussage, wenn wir bedenken, daß jährlich rund 100.000 Kinder im Mutterleib getötet werden. „Jeder Mensch hat das Recht auf Leben", heißt es.
Und dieses Recht ist de facto in Österreich nicht gewährleistet. Da helfen keine juristischen Spitzfindigkeiten, keine oberstgerichtli-chen Entscheidungen, keine Umschreibungen („Abtreibung"). Abtreibung ist weiterhin die häufigste Todesursache in Österreich. Sie ist keine natürliche Todesart. Es ist gut, sich das immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Das eigene Gewissen läßt sich leicht einschläfern.
Im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzung fallen mir auch zahlreiche Erzählungen von Strafentlassenen ein. Wie viele haben mir da von Ubergriffen der Exekutive berichtet. Natürlich waren die Opfer stets unter Beweisnotstand, und eingesetzte Untersuchungen (auch gerichtliche) kamen dann zu dem Ergebnis, daß Stürze über Treppen und gegen Tischkanten in Wachzimmern die plausibelste Erklärung für blaue Flecken, Beulen und offene Wunden seien. Nicht etwa Schläge.
Unsere Einstellung gegenüber Gastarbeitern könnte ebenfalls von dem Gedanken, daß alle Menschen gleich an Würde geboren sind, befruchtet werden. Gerade im Umgang mit Menschen, die andere Lebensgewohnheiten haben, wird klar, daß Menschenrechte nicht vor allem durch allgemeine Maßnahmen, sondern durch das Verhalten des einzelnen verwirklicht werden.
Unser eher mangelhaftes Engagement für Menschenrechte wird auch an den Summen deutlich, die wir Österreicher für Entwicklungshilfe aufwenden. Es ist zweifellos leichter, sich über Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten in „unterentwickelten" Ländern zu entrüsten, als sich durch eigenen Verzicht für eine Besserung der Lage aktiv einzusetzen.
Menschenrechte sind aber unteilbar. Sie erfordern unseren Einsatz, wo immer sie bedroht sind, auch wenn es eines der Länder Asiens oder Lateinamerikas ist.
Damit wird deutlich, daß uns die Menschenrechtsproblematik unmittelbar angeht. Wir selbst sind aufgerufen, für die Rechte unserer Mitmenschen einzutreten, jeder von uns kann dazu beitragen, daß verwirklichte Menschenrechte -und damit eigentlich ein erfülltes Leben - einer größeren Zahl von Menschen zuteil wird.
Das gilt besonders für Christen, denn Verwirklichung von Menschenrechten sollte das christliche Minimalprogramm sein.
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