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Welcher Friede?

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Unter Frieden verstanden die Römer zur Zeit Jesu etwas völlig anderes als die meisten Juden. Für „Pax Romana" bedeutete Frieden die Sicherung der wirtschaftlichen, militärischen und politischen Überlegenheit. Mit „Schalom" aber meinte die arme jüdische Bevölkerung Leben, Hoffnung, Gemeinsamkeit, Hilfe für den Nächsten, die Botschaft der Messiaserwartung. Vielen Rabbinern galt „Schalom" als ein anderer Name für Gott, führte die Frankfurter Vikarin Ruth Habermann bei einer Veranstaltung der Solidaritätsgruppe engagierter Christen zur „Friedenspraxis in der Jesusbewegung" aus.

Seit Jesu Zeiten hat sich nichts geändert. Immer noch bedeutet für die Regierungen Frieden die Sicherung ihrer wirtschaftlichen, militärischen und politischen Macht. Und immer noch verstünden alle jene, die an dieser Macht nicht teilhaben, darunter vor allem Leben und Hoffnung. „Schalom" ist der tägliche Gruß der Juden und Mohammedaner, es ist auch heute der Gruß von Israelis und Arabern.

„Schalom quot; gelte jedem Christen, Katholiken wie Protestanten, als Ausdruck der Nachfolge Jesu, wenn es um den Frieden geht

Nie zuvor war Frieden im Sinne Jesu aktueller als heute, da die Angst vor der Vernichtung der Menschheit .durch einen Atomkrieg überall eine breite Friedensbewegung mobilisiert habe. Im Sinne Jesu hieße das, die Angst nicht zu verdrängen, sie gegenüber anderen auszusprechen, mit anderen zu teilen. Aus der gemeinsamen Angst müsse man zur gemeinsamen Hoffnung und weiter zum gemeinsamen Tun finden. Ist nicht der Beweggrund der Friedensbewegungen von heute derselbe?

Zur Zeit Jesu beinhaltete Frieden aber auch den Glauben daran, andere, die Frieden im Sinne der „Pax Romana" akzeptierten, von der Unrichtigkeit dieser Friedensparole zu überzeugen und von der Lernfähigkeit der Menschen, Frieden im Sinne Jesu zu verstehen, auszugehen. Versuchen nicht auch die Friedensbewegungen von heute, andere in gewaltloser Form von der Richtigkeit ihrer Auffassung von Frieden zu überzeugen?

„Schalom quot; bedeutete als Friedensgruß die ständige Auseinandersetzung mit jenen, die Frieden als „Pax Romana quot; sahen, bedeutete die tägliche Entscheidung für den Frieden. Diese Entscheidung hatte manchmal harte Konsequenzen.

Frieden im Sinne Jesu hieß, so Habermann, nicht Harmonie um jeden Preis: Zu akzeptieren, daß andere nicht lernfähig (-willig) seien, hieß auch, mit nahestehenden Menschen zu brechen, die auf falschen Friedensparolen oder auf einem Scheinfrieden beharrten.

Nichts anderes ist das Ziel der Friedensbewegung in Ost und West von heute: Aus der Entscheidung für den Frieden resultiert die Abgrenzung von jenen, die bereit sind, sich an die Kriegsgefahr zu gewöhnen. Friedensbewegung heute bedeutet — wie zur Zeit Jesu — die Kraft, nicht nur dagegen zu sein, sondern für den Frieden etwas zu tun.

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