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Heilige Instinktlosigkeit

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Olmütz war seit den Zeiten der Österreichisch-Ungarischen Monarchie durch seinen Quargel berühmt. Seit kurzem feiert allerdings ein Mann „fröhliche Urständ'”, dessen Gebeine im Dom zu Olmütz ruhen und der bereits 1860 selig gesprochen worden ist. Es handelt sich dabei um Jan Sarkander, einen Mann, den sogar die Lexika vergessen haben.

Ein der Diözese St. Pölten nahestehendes Kleinformat hat Jan Sarkander seinem Leserpublikum als einen „von den Protestanten 1620 in

Olmütz hingerichteten fanatischen Gegenreformator” vorgestellt. Johannes Paul IL, also der Papst, hat Jan Sarkander aus der Versenkung beziehungsweise Vergessenheit heraufgeholt, und damit gewollt oder ungewollt ein bedenkliches Zeichen gesetzt.

Denn für viele Tschechen - auch für die Unkirchlichen - ist die gewaltsame Rekatholisierung des Landes nicht nur im kollektiven Gedächtnis verankert, sondern sie ist zugleich eng mit dem Verlust von Freiheit und Eigenständigkeit verbunden.

Was ein Begriff wie „Gegenreformation” verschleiert, ist ja die Tatsache, daß die Bekatholisierung - auch die Österreichs - nicht etwa mit den legitimen Mitteln christlicher Mission erfolgt ist, sondern mit nackter Gewalt.

Die rabulistische Dialektik des Papstes ist wohl von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Man kann nicht in einem Atemzug für die Greuel der Gegenreformation offiziell um Entschuldigung bitten und einen Exponenten

eben dieser „gewaltsamen Bekatholisierung” heiligsprechen.

Nach katholischer Lehre beten die Heiligen für die Menschen. Sie anzurufen und um ihre Fürbitte anzuflehen, ist zwar nicht verpflichtend, aber „gut und nützlich”.

Das Leben der Heiligen ist nach dem Vatikanum II. von exemplarischer Bedeutung für die Gläubigen. Hier werden sich hoffentlich die Gläubigen mit dem „Heiligen Sarkander” etwas schwer tun. Auch Päpste sind nicht vor Instinktlosigkeit gefeit.

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