Die Witwen klagen an

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Zuerst hat ihnen der Bürgerkrieg in Sri Lanka die Ehemänner genommen und dann die Tsunami-Katastrophe ihr Hab und Gut: Mit Kleinkrediten, unterstützt von der Dreikönigsaktion, managen sie jetzt einen Neuanfang.

Wenn der Tag beginnt in Batticaloa, dann schwärmen die Soldaten entlang des Sees aus und durchsuchen mit Stöcken und Gartengeräten die Böschung und das Uferwasser nach Sprengstoff. Hier, in der Metropole der ethnisch gemischten Ostküste von Sri Lanka, ist die Anspannung immer noch mit Händen zu greifen. Die tamilische Bevölkerung, so ein Lokalpolitiker, der seinen Namen nicht in der Zeitung sehen will, fühle sich von der singhalesischen Armee eher bedroht als beschützt. Und die Armee vermutet hinter jedem Tamilen einen Guerillero der Befreiungstiger (ltte). Das zeigen die langen Listen von oft willkürlich festgenommenen Jugendlichen.

Krieg und Tsunami erlitten

Die Regierung hat sich im Waffenstillstandsabkommen verpflichtet, paramilitärische Gruppen zu entwaffnen. Ein Gedenkstein erinnert an die zivilen Opfer, die während des Bürgerkrieges von der Armee verschleppt oder ermordet wurden. Die Narben sind noch lange nicht verheilt. Eine Gruppe von Witwen trifft sich regelmäßig, um die Traumata gemeinsam aufzuarbeiten. Sie werden von der People's Association for Peace and Development (papd) betreut, die sich für die Verständigung zwischen den Ethnien und nachhaltigen Frieden an der Ostküste Sri Lankas einsetzt. papd kümmert sich um Kriegswitwen und hilft den Frauen mittels eines Kleinkreditprogramms, wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen zu können. 10.500 Kriegswitwen leben allein im Bezirk Batticaloa. Viele von ihnen sind mehrfach traumatisiert: durch Krieg und Tsunami.

Vor ihren Frauen erschossen

Jede einzelne der Frauen hat eine Geschichte zu erzählen: Ihre Männer waren Fischer, Maurer oder Kleinhändler, die zum falschen Moment am falschen Ort lebten, nämlich dort, wo ein brutal geführter Krieg zwischen ltte und Armee tobte. Die meisten wurden von der Armee auf der Straße festgenommen oder aus dem Haus geholt, einige vor den Augen ihrer Frauen erschossen, andere verschleppt und später getötet. Mehrere konnten nicht einmal beerdigt werden. Die Soldaten wollten den Leichnam nur herausgeben, wenn die Witwen schriftlich bestätigten, dass ihr Mann für die Rebellen gekämpft hatte oder von diesen ermordet worden sei.

Die Fahrt an die Ostküste, durch schlechte Straßen und den chaotischen Verkehr mühsam genug, wird durch Kontrollstellen von Polizei und Militär noch zusätzlich erschwert. Alle paar Kilometer versperren eiserne Barrikaden den Weg. Manchmal winkt einen ein gelangweilter Polizist nur durch, dann steckt wieder ein Soldat seinen Kopf durch das Fenster und will wissen, wohin es geht. "Im Jänner hätte ich nicht fahren wollen", sagt Aloy, der Koordinator der papd. Bevor der norwegische Vermittler Erik Solheim am 25. Jänner der neuen Regierung und den Rebellen die Einhaltung des Waffenstillstands abgerungen hat, gab es praktisch täglich Anschläge, selektive Morde und Razzien.

Verantwortlich für viele Anschläge war allen Indizien zufolge die Gruppe "Sennan Padai" des ltte-Dissidenten Karuna, der sich vor zwei Jahren wegen politischer Differenzen von den Befreiungstigern abspaltete und nun in der Gegend um Batticaloa operiert.

Die Abspaltung sei das Werk der damaligen Regierung unter Premierminister Ranil Wickramesinghe gewesen, sagen andere. Rund vier Millionen Euro aus der Kriegskasse der ltte soll Karuna als Belohnung abtransportiert haben - unter dem Schutz der Regierungsarmee. Seither versucht die Karuna-Gruppe, der offiziellen ltte den politischen und militärischen Einfluss in und um Batticaloa streitig zu machen - mit brutalen Methoden. Auf ihr Konto gehen die meisten Morde an der Ostküste, ein Überfall auf eine skandinavische Monitoring-Gruppe und die Ermordung des tamilischen Parlamentsabgeordneten Joseph Pararajasingham.

Für Soldaten, die aussteigen

Pater Paul Satkunanayagam, der ein Projekt für traumatisierte Kinder leitet, sorgt heute für jene Karuna-Anhänger, die sich vom bewaffneten Kampf verabschiedet haben und dann von der ltte als Verräter gejagt wurden. "Wenn sie verfolgt wurden und in ihre Dörfer kamen, wurden sie oft abgewiesen." Pater Paul baute eigene Zentren, wo die Verfolgten sicher sind und zu essen bekommen. Außerdem werden sie im Projekt "Lilien auf dem Feld" psychologisch betreut, damit sie ihr aggressives Verhalten ablegen. "Und sie lernen ein Handwerk, das ihnen hilft, im zivilen Leben zurechtzukommen."

Eine gewisse internationale Präsenz und die Mitarbeit der katholischen Kirche bieten in der Regel ausreichend Schutz, sagt Pater Paul. Sein Soldaten-Rückkehrprogramm wird von der österreichischen Dreikönigsaktion unterstützt, genauso wie die Hilfestellungen der papd für die Kriegswitwen in der Region:

Neustart mit Nähmaschine

Die 36-jährige Maureen Frances verlor ihren Mann, als sie gerade 19 Jahre alt war: "Soldaten nahmen ihn mit." Bis heute ist er nicht wieder aufgetaucht. Ihre beiden Töchter, heute 17 und 18 Jahre alt, musste sie allein aufziehen, denn Wiederverheiratung ist in Sri Lanka nicht üblich. Mit einem Kleinkredit des papd konnte Maureen eine Nähmaschine kaufen und eine kleine Schneiderwerkstatt aufmachen. Heute beschäftigt sie bereits drei Näherinnen.

Wijeluxmy Anthony wiederum, deren Mann vor Jahren von der Armee erschossen wurde, verlor durch die Tsunamikatastrophe vor zwei Jahren all ihre Habe. Dank der Hilfe von papd konnte sie mit einem Bilderrahmengeschäft einen Neustart wagen. Rahmen für grellbunte Hindugötter-Bilder genauso wie für Gemälde katholischer Heiliger werden am meisten in Auftrag gegeben, erklärt sie ihre Haupteinnahmequelle. Natürlich rahmt Wijeluxmy auch Familienfotos. Wünschen würde sie sich aber mehr Fotos von Jugendlichen, die ihr Ausbildungsdiplom empfangen, und weniger Erinnerungsbilder an Gefallene oder Verschwundene.

Der Autor ist freier Journalist.

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