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HANS SCHMITZ / SOZIALREFORM IN THEORIE UND PRAXIS

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Vor 1914 und in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen zeugten in Österreich die großen, weitgespannten Diskussionen und geistigen Auseinandersetzungen über Inhalt und Ziel einer christlichen Sozialreform von der Lebendigkeit und Vielfalt der Strömungen, die im österreichischen Katholizismus virulent waren. Vogelsang-Schule oder Mönchengladbacher Richtung entschieden ontifcopitolistische Ziel-vorstellungen oder Reformbestrebungen, die im Rahmen und unter grundsätzlicher Beibehaltung des kapitalistischen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems wirksam werden sollten: So standen sich die beiden wichtigsten dieser Strömungen im Gespräch, im Dialog, aber auch im ideellen Wettbewerb gegenüber; in ihren Vorstellungen über die notwendige gesellschaftspolitische Therapie zwar verschieden, einig jedoch in ihrem Grundanliegen, aus christlichem Antrieb eine bessere, gerechtere, menschlichere Gesellschaft zu schaffen.

Einer der profiliertesten Vertreter der Mönchengladbacher Richtung, Univ.-Prof. Dr. Hans Schmitz, feiert am 25. Februar seinen 70. Geburtstag. Der Jubilar kann auf ein erfolgreiches politisches und wissenschaftliches Wirken zurückblicken, auf ein Leben des politischen Handelns ebenso wie der politischen Verfolgung. Der in Wien als einer von 14 Geschwistern Geborene studierte nach dem Besuch der Mittelschule an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und promovierte 1922 zum Dr. jur. Bereits seit 1919 war er Referent für Sozialpolitik und Sozialversicherung an der wissenschaftlichen Zentralstelle des Volksbundes der Katholiken Österreichs.

Die Ereignisse des Jahres 1934 brachten Schmitz die Funktion eines Sekretärs der Wiener Arbet-terkammer und eines Generalsekretärs des Gewerkschaftsbundes; 1936 übernahm er die Leitung der Pensionsversicherungsanstalt für Angestellte. Doch Hans Schmitz blieb auch in diesen hohen Ämtern nicht unkritisch gegenüber den politischen und sozialen Erscheinungen der Zeit. In einer Publikation übte er Kritik an den Eingriffen der Regierung in das Kollektivvertragswesen. Treu und Glauben, die Fundamente jedes Vertrages, würden keine Vertiefung erfahren, stellte Schmitz fest, wenn man Kollektivverträge einfach aufhebe. Zu diesem Zeitpunkt erschien sein Werk „Die Sozialpolitik im autoritären Staat“, eine Arbeit, an der weder die politische Zeitgeschichte noch die Wirtschafts- und Sozialgeschichte vorbeigehen können.

1938 wurde Schmitz entlassen.Sein um zwölf Jahre älterer Bruder Richard, der Bürgermeister von Wien, wurde ins Konzentrationslager gebracht. Sieben dunkle Jahre senkten sich über Österreich. 1945 standen die Brüder Richard und Hans Schmitz wieder für Österreich bereit. Hans Schmitz leitete den Wiederaufbau und Ausbau der Pensionsversicherungsanstalt. 1948 habilitierte er sich für Sozialrecht an der Universität Wien, und 1963 wurde er auf die Lehrkanzel für Arbeitsund Sozialrecht berufen. Doch durch verschiedene Funktionen blieb und bleibt Universitätsprofessor Schmitz mit der Praxis der Sozialreform verbunden. Um die Wissenschaft und ihre Lehre machte sich Professor Schmitz in den letzten Jahren vor allem durch den Aufbau des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Wiener Universität verdient sowie durch die Herausgabe einer arbeits- und sozialrechtlichen Schriftenreihe. Der Sozialreform verpflichtet in Theorie und Praxis war Hans Schmitz in der Ersten Republik ebenso wie zwischen 1934 und 1938; er ist es in der Gegenwart und wird es auch in Zukunft bleiben.

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