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„Der junge Freund, den wir Wolf nannten"

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Wolfgang Schmitz, der am 28. Mai seinen Siebziger feiert, gehörte in der unseligen, dunklen Zeit, zwischen 1938 und 1945, zu jener chancenlosen Jugend, die wegen ihrer Haltung, Gesinnung und Gläubigkeit vom NS-Regime faktisch „abgeschrieben" war.

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Wolfgang Schmitz, der am 28. Mai seinen Siebziger feiert, gehörte in der unseligen, dunklen Zeit, zwischen 1938 und 1945, zu jener chancenlosen Jugend, die wegen ihrer Haltung, Gesinnung und Gläubigkeit vom NS-Regime faktisch „abgeschrieben" war.

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Wir sind einander früh, sozusagen in den ersten Morgenstunden des wiedererstehenden Österreich, begegnet - vor achtundvierzig Jahren, wenige Wochen nach dem Zusammenbruch des „Tausendjährigen Reiches". Da galt es mitten in den Trümmern des zerstörten Wien ein erstes öffentliches Auftreten junger, gläubiger Menschen zu gestalten. Einige tausend waren gekommen, um zu bekennen: Wir wollen das Kreuz, das Zeichen des Heiles, wieder aufrichten in unserem Land.

Damals, zwischen Mai und Juni 1945, war Österreich geschunden, zerschlagen und besetzt, für uns aber war es schon wieder frei.

Der Weg nach vorne

Da war sie nun doch, diese große Chance, dieses Geschenk der Freiheit, dem Auftrag dieser Freizeit gerecht zu werden, sie in Verantwortung zu nutzen. Schon aus den ersten Gesprächen mit „Wolf Schmitz, wie wir ihn nannten, war zu erkennen, daß er ein Drängender, ein Mahnender, ein Tatkräftiger war. Von Anfang an war aus seinen Gedanken und Worten zu erkennen, daß christliches Handeln für ihn die Gesundung des sozialen Körpers bedeutete.

Keiner von uns dachte daran, nun eine neue „Herrschaft" anzutreten, vielmehr sollte ein Dienst geleistet werden für dieses Österreich und für die Kirche - und in beidem für die Menschen. Der Begriff „Vergangen-heitsbe wältigung" war nicht in diesen

Tagen geläufig, wohl aber das Programm „Zukunftsgestaltung" - der Weg nach vorne. Gelebter Glaube sollte die Triebkraft sein, um gläubiges Leben in eine freie Gesellschaft einbringen zu können. Und es darf heute anerkennend und dankbar ge-

sagt werden, daß Wolfgang Schmitz dafür ein starker und glaubwürdiger Motor war.

Diesem „Grundmuster" der Gesinnung ist der Student der Wiener Universität, der Universität Freiburg in der Schweiz, der Catholic University

Washington, der C Ver, der Fachmann für Wirtschafts- und Sozialfragen in der Bundeskammer der Gewerblichen Wirtschaft, der Politiker, der Bundesminister, der Präsident der Nationalbank, der Publizist, der FURCHE-Mitarbeiter und spätere Mitherausge-

ber, der Mensch Wolfgang Schmitz immer treu geblieben.

Volks- und Bürgernähe war ihm eine selbstverständliche Konsequenz seiner Ideale, gegen die Entgeistigung in Politik und Wirtschaft zu wirken, eine Verpflichtung; der „grüne Wimpel" des Finanzministers (siehe Seite 20) ein Signal für Informationsbereit-schaft, sein Denken, Reden, Publizieren und Handeln ein Auftreten gegen alle neuen oder alten Gefahren der Verstaatlichung des Lebens, des Menschen, sein rettendes Festhalten an der FURCHE, ein mannhaftes Tun gegen die stumpfe, gedankenlose, ja schweigende Lethargie, sein unruhiges, gedankenreiches Sorgen um das Aggiornamento nach dem Zweiten Vatikanum ist ihm nicht billige Anpassung, sondern Vertiefung und Verlebendigung der regula fidei in einer völlig neuen Daseinslage des Menschen von heute.

Der Aufbruchsstimmung treu

Im Rahmen dieser Würdigungszeilen bedarf es sicherlich keiner näheren Ausführungen über die vielen Unsicherheiten, die unser Leben in Kirche und Welt begleiten, uns herausfordern, Unsicherheiten, die ebenso belasten wie neue Horizonte öffnen.

In solchen Tagen bedarf es der guten, der bedachten Freunde: einer ist Wolfgang Schmitz. Wieder einmal erweist sich die alte Wahr- und Weisheit: „amicus certus in re incerta cernitur" - den wahren Freund erkennt man tatsächlich in Zeiten der Unsicherheit und Not.

Zum „Siebziger" dürfen wir ihm dankbar und anerkennend im Mai 1993 bescheinigen: Wolf Schmitz ist der Auf bruchsstimmung von 1945 treu geblieben. Wir brauchen seine Begleitung. Sein Weg der ungebrochenen Freundschaft ist aller Würdigung wert: Ad multos annos!

Der Autor ist „Styria"-Generaldirektor und Mitherausgeber der FURCHE.

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