Von neuen Politikertypen aus drei Epochen

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Das Jahrbuch des Vogelsang-Instituts "Demokratie und Geschichte“ 2009/10 widmet sich drei markanten Gestalten der Christdemokratie: Karl Lueger, Richard Schmitz und Josef Klaus.

Das "Karl von Vogelsang-Institut zur Erforschung der Geschichte der christlichen Demokratie in Österreich“ in Wien organisiert regelmäßig Veranstaltungen über christlichsoziale bzw. christdemokratische Politik in Österreich und deren Persönlichkeiten. Im Jahrbuch "Demokratie und Geschichte“ werden die Ergebnisse dieser Veranstaltungen veröffentlicht. Das Jahrbuch 2009/10 ist drei Persönlichkeiten gewidmet: Karl Lueger, Richard Schmitz und Josef Klaus.

Überraschend ist der Vergleich des Fin de siècle in Wien und in Chicago durch John W. Boyer (University of Chicago). Wien beeindruckte nordamerikanische Stadtreformer durch seine Stadterweiterungen und durch die Kommunalisierung der Energieversorgung und der Verkehrsmittel. Neben anderen Autoren untersucht Helmut Wohnout einen neuen Politikertyp der 1880er Jahre. Er beschreibt die Wandlungen des ursprünglich liberal-demokratischen Lueger und dessen Annäherungen an antiliberale, deutschnationale und schließlich katholische Gruppierungen. Luegers Fähigkeit, unterschiedlichste Persönlichkeiten und deren Anhänger an sich zu binden, führte zur Massenpartei. Die nationale Ausrichtung der Christlichsozialen ab 1897 verhinderte eine Weiterentwicklung zu einer übernationalen katholischen Partei für die österreichische Reichshälfte der Monarchie.

Der letzte Bürgermeister vor dem Anschluss

Nach 1907 begann Albert Gessmann einen Parteiapparat der Christlichsozialen Partei aufzubauen, dessen Mitarbeiter aus dem Vereinskatholizismus kamen. Nach Luegers Tod (1910) und der Wahlniederlage der Christlichsozialen (1911) begann eine neue Wählermobilisierung. John W. Boyer hatte bereits in seinem Buch über Karl Lueger (2010) den Direktor des Volksbundes der Katholiken Österreichs, Richard Schmitz, als Vertreter eines neuen Politikertypus vor dem Ersten Weltkrieg bezeichnet. Nach der ersten Biografie von Rudolf Till (1935) und der Dissertation von Fritz Braun (1968) beschreiben im Jahrbuch 2009/10 neun Autoren das Leben von Richard Schmitz: seine Herkunft aus einer verarmten, kleinbürgerlichen Familie, die 1889 aus Nordmähren nach Wien eingewandert war; seine journalistische Tätigkeit in Wien und Innsbruck, seine enge Freundschaft mit Ignaz Seipel, seine Erfolge als mehrfacher Bundesminister und Vizekanzler, seine schriftstellerische Tätigkeit. Richard Schmitz war allerdings auch an der Beseitigung der parlamentarischen Demokratie im März 1933 und an der Errichtung des autoritären Ständestaates maßgeblich beteiligt. Nachdem der demokratisch gewählte sozialdemokratische Bürgermeister Karl Seitz im Februar 1934 seines Amtes enthoben worden war, wurde Schmitz zum Regierungskommissär und in der Folge zum Bürgermeister von Wien ernannt. Mit seinem Namen sind die Schulgesetze von 1927 und der Bau der Wiener Höhenstraße verbunden. Weniger bekannt ist seine siebenjährige Gefangenschaft in nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Im April 1945 brachte die SS auch ihn nach Südtirol, wo er und seine Mitgefangenen befreit wurden. Nach einem neunmonatigen Aufenthalt in Italien kehrte Schmitz im Jänner 1946 nach Wien zurück, gründete den Buchverlag Herold und wurde Verleger.

Der unterschätzte Bundeskanzler

Informativ ist auch der dritte Themenschwerpunkt, ein Zeitzeugengespräch über einen neuen Politikertyp der 1960er Jahre: Heinrich Neisser, Karl Pisa und Josef Taus bringen bekannte und unbekanntere Fakten über Bundeskanzler Josef Klaus, der Kroatisch und Russisch sprach, sich mit Kybernetik beschäftigte, mit Soziologen, Historikern, Philosophen und Juristen sowie mit Aurelio Peccei, dem Mitbegründer des Club of Rome, diskutierte. Klaus brachte einen neuen Politikstil, zog Experten heran, förderte junge politische Talente, die später selbst Spitzenfunktionen übernehmen sollten. Es war eine Zeit großer Reformen. "Josef Klaus war ein großer Kanzler und es ist schade, dass sein Andenken relativ wenig in die Öffentlichkeit hinausgetragen wird“, so Josef Taus. Beiträge über Leopold Kunschak, Österreichs Beitrittsprozess zu den Vereinten Nationen 1945-1955 und Literaturberichte runden den interessanten Band ab.

Demokratie und Geschichte

Jahrbuch des Karl von Vogelsang-Institutes zur Erforschung der christlichen Demokratie in Österreich. Jg. 13/14, 2009/2010

Helmut Wohnout (Hg.)

Verlag Böhlau. 407 S., € 35,-

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