Kampfansage an die Lepra

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Nach Jahrzehnten sind die Kamillianer nach Südchina zurückgekehrt, um ihren Kampf gegen die Lepra wiederaufzunehmen. Ein Bericht zum Weltlepratag am 30. Jänner.

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Nach Jahrzehnten sind die Kamillianer nach Südchina zurückgekehrt, um ihren Kampf gegen die Lepra wiederaufzunehmen. Ein Bericht zum Weltlepratag am 30. Jänner.

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Die südchinesische Provinz Yunnan ("südlich der Wolken") ist einladend: Berge, Seen, fruchtbare Hügellandschaften, riesige Gebirgszüge, Ausläufer des Himalaya. 40 Millionen Einwohner zählt der Yunnan. Die Hauptstadt Kunming mit einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von 24 Grad Celsius wird "Stadt des ewigen Frühlings" genannt.

Yunnan könnte ein Paradies sein, wenn es nicht die Lepra gäbe. Laut offizieller Statistik leben hier 25 bis 30 Prozent aller Leprakranken Chinas. Das wären mehr als 30.000, und jedes Jahr entdeckt man durchschnittlich 600 Fälle neu - von der Dunkelziffer ganz zu schweigen.

Vor über 50 Jahren, 1948, kamen Angehörige des Krankenpflegeordens der Kamillianer zum ersten Mal in diese Gegend. Nicht, um den Frühling zu genießen, sondern um den Kranken, vor allem den zahllosen Leprakranken ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Sie errichteten Krankenstationen und Lepradörfer in Qiaojia, Zhaotong und Huize. Nach dem Sieg Maos und der Proklamation der Chinesischen Volksrepublik mußten auch die Kamillianer ihre Arbeit für die Armen und Kranken abbrechen und wurden ausgewiesen. 1952 schlossen die Kommunisten das letzte Kamillianer-Hospital in Qiaojia.

Die Station wird wiedererrichtet Einer dieser Kamillianer-Pioniere war Bruder Davide Luigi Giordan. 1992, vierzig Jahre später, durfte er im Zuge der vorsichtigen Öffnung Chinas wenigstens zeitweise wieder an seine alte Wirkungsstätte zurückkehren. Viele alte Chinesen erkannten ihn noch und begrüßten ihn wie einen alten Freund. Auch die einst von den Kamillianern errichteten Leprastationen fanden sich noch, wenn auch völlig verfallen. Die Insassen waren damals von den Kommunisten in die Berge vertrieben worden.

Heute denkt man in China anders. Die verfallenen Lepradörfer sind wieder besiedelt, nur fehlt das Geld, um den Aussätzigen dort auch ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Darum läßt man Hilfe vom Ausland zu.

Als Lepraspezialisten arbeiten die Kamillianer von Taiwan aus bereits seit Jahren mit den lokalen Gesundheitsbehörden in Yunnan zusammen. Drei Geländewagen und mehr als 30 Mikroskope haben die Kamillianer bisher den verschiedenen Zentren der Leprabekämpfung zur Verfügung gestellt. Und in Zhaotong im Norden des Yunnan konnte - mit tatkräftiger Hilfe aus Österreich ein erstes Lepradorf für 60 Bewohner errichtet werden, das am 17. April 1998 eingeweiht wurde. "Sie können sich nicht vorstellen, wie groß unsere Freude war, als wir in diese schöne Leprosarium übersiedeln durften", schreiben die Leprakranken von Zhaotong in einem überschwenglichen Dankbrief.

Als man im 280 Kilometer entfernten Qiaojia von dem neuen Leprazentrum hörte, bat man die Kamillianer auch dorthin zurückzukehren. In dieser Stadt am Yangtse Jiang, dem Blauen Fluß, gibt es nach der letzten Statistik mehr als 1.100 Leprakranke, von denen 200 schwerbehindert sind: erblindet, gefühllos, verstümmelt - Folgen der Lepra.

Nicht wenige leben ohne Familie oder noch schlimmer, ihre Familien haben sie unbarmherzig als "Aussätzige" verstoßen. In den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres wurden mehr als 20 Leprafälle neu entdeckt: Die jüngste Kranke ist ein 18jähriges Mädchen, der älteste ein 64jähriger Mann.

Das alte Lepradorf der Kamillianer ist 45 Kilometer von Qiaojia entfernt. Auf einer Höhenlage von 2.500 Metern ist es nur zu Fuß erreichbar. Ein verriegeltes Holztor versperrt den Weg. Hinter diesem Tor, so Bruder Giordan nach seinem ersten Informationsbesuch, beginnt die Hölle: "Fünfzig, sechzig Aussätzige hausten hier wie Tiere im Stall, von der Welt und vom Leben ausgeschlossen. Nicht die Diagnose Lepra war das Verheerende, sondern die menschenunwürdigen Lebensumstände der Kranken. Dumpf, fast regungslos saßen sie in Gruppen in der Sonne. Alte und Junge, mit entstellten Gesichtern oder Gliedmaßen, leblosen Augen." Seit die Gesellschaft sie hier deponiert hat, hat man sie sich selbst überlassen. Sie müssen sich selbst verpflegen, versorgen, verbinden. Von ausreichender Ernährung, sauberem Trinkwasser, Hygiene, Grundlage jeder Leprabekämpfung, keine Spur. Ein Arzt kommt nur alle zwei Monate zur Rountinekontrolle. Ein außerhalb wohnender Verwaltungsfunktionär hält die Bewegungsfähigen zu leichter Feldarbeit an, sorgt für strenge Isolation von der Außenwelt und eine Art Ordnung in diesem Ghetto. Kein Wunder das Bruder Giordan seit diesem Schockerlebnis keine Ruhe mehr fand.

Grundstein für ein neues Lepra-Zentrum Die Behörden von Qiaojia haben für den Bau des neuen Leprazentrums ein großes Grundstück am Stadtrand zur Verfügung gestellt, nicht einmal einen Kilometer vom Zentrum entfernt. Die Grundsteinlegung fand am 10. März 1999 statt. Die Stadt ist bereit, die Leitung, den Unterhalt und die Betreuung der Leprakranken zu übernehmen, wenn die Kamillianer für den Bau, die Einrichtung und die medizinische Ausstattung sorgen. 80 Kranke werden in dem zweistöckigen Gebäude einen Platz finden.

In dem angeschlossenen Ambulatorium für externe Leprapatienten ist ein Labor für die Früherkennung der Lepra und der Lepraforschung vorgesehen sowie eine Abteilung für Chirurgie, Physiotherapie und Rehabilitation. Die Gesamtkosten des Projekts betragen umgerechnet 4,5 Millionen Schilling.

Einen Großteil dieser Summe konnte Bruder Giordan noch selbst auftreiben. Sein überraschender Tod am 15. August 1999 gefährdet jedoch die weitere Finanzierung. Sein Nachfolger, Kamillianerpater Antonio Didone; Krankenhausdirektor auf Taiwan, hat im Oktober 1999 den Rohbau in Qiaojia besichtigt, mit dem Ergebnis: es wird weitergebaut, wenn uns unsere Freunde und Wohltäter in Europa weiterhin unterstützen.

Zugleich wurde P. Diodone bestürmt, auch in Weshan, 400 Kilometer südöstlich von Kunming, ein Lepradorf zu bauen. In dieser Gegend sei die Armut besonders groß, es gebe dort viele Leprakranke ... Doch erst muß Qiaojia fertiggestellt werden.

Deshalb bitten wir alle Freunde der Kamillianer in Österreich und alle, die mit dem unmenschlichen Leid der Leprakranken mitfühlen, um einen Baustein zur Vollendung des Leprazentrums von Qiaojia - mitten in einem Land, das sich humanitären, sozialen und christlichen Werten wieder langsam aufschließt. Wir bitten um Spenden für: * Medikamente und Verbandmaterial: Lepra ist heilbar. Die Heilung eines Leprakranken kostet bis zu 2.000 Schilling. Jeder Schilling trägt zur Heilung bei.

* Prothesen, Rollstühle und Schuhwerk: Sie ermöglichen Mobilität, Arbeit und geben damit neue Lebenschancen. Eine einfache Beinprothese kostet 500 Schilling, ein Rollstuhl bis zu 5.000 Schilling.

* Ausbauhilfe für das Lepradorf, beispielsweise: eine einfache Laboreinrichtung. Immenses Leid läßt sich durch rechtzeitige Behandlung verhindern. Ein Mikroskop zur Früherkennung der Lepra kostet 15.000 Schilling.

Der Autor ist Provinzial der Kamillianer.

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