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Man kann helfen, statt zu verbannen

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Aussatz: Immernoch bedeutet diese Krankheit für viele Menschen, ausgestoßen zu sein. Und dabei wirken heutige Medikamente wahre Wunder, wie die Erfahrungen in Khekwat zeigen.

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Aussatz: Immernoch bedeutet diese Krankheit für viele Menschen, ausgestoßen zu sein. Und dabei wirken heutige Medikamente wahre Wunder, wie die Erfahrungen in Khekwat zeigen.

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Thailand, das Urlaubsparadies der Österreicher, hat verschiedene Gesichter: herrliche Badestrände, exotische Palmenhaine, goldene Tempel. Das aridere Gesicht: „Sextourismus", Drogen, Aids und -noch immer - über 100.000 Lepra-kranke. Für sie ist Thailand kein Paradies. Ihr Leben spielt sich irgendwo in den Slums der Millionenstadt Piangkok ab oder einfach auf der Straße.

Lepra - noch immer die Geißel der Menschheit. 15 bis 2 0 Millionen Leprakranke vegetieren weltweit in den Elendszonen Asiens, Afrikas und La teinamerikas dahin. Nur vier Millionen von ihnen stehen unter

ärztlicher Kontrolle oder haben Zuflucht in einem Leprazentrum gefunden. Hier hoffen sie auf Heilung von ihrer gefürchteten Krankheit, hoffen auf eine Rückkehr in die menschliche Gesellschaft, die sie als „Aussätzige" vertrieben hat.

Eines der bekanntesten Lepradörfer Thailands ist Khokwat, 100 Kilometer südöstlich von Bangkok. Vor 25 Jahren von dem Krankenpflegeorden der Kamillianer gegründet, schaut es heute auf eine im wahrsten Sinne des Wortes segensreiche Tätigkeit zurück. Über 1.200 Kranke sind hier bisher nach modernsten medizinischen Erkenntnissen behandelt und geheilt worden.

Die Zahl derer, denen über den Kreis des Dorfes hinaus mit Medikamenten und medizinischer Betreuung geholfen werden konnte, geht in die Zehntausende.

Begonnen hat dieses großartige Werk der Barmherzigkeit im Jahr 1965. Ein Bischof hatte den Kamil-lianern ein Grundstück zur Verfügung gestellt, und eine wunderbare humanitäre Idee begann Wirklichkeit zu werden: Khokwat, eine Zufluchtsstätte für aus der Gesellschaft ausgestoßene Leprakranke.

Bereits im Sommer 1965 konnte die erste Bauphase Khokwats abgeschlossen werden. Die Ordensbrüder zogen ein, die ersten Leprakranken klopften an. 1968 entstand ein Ambulatorium mit einer Medikamentenausgabestelle. Die Qualität des neuen Lepradorfes sprach sich schnell herum, die Patientenzahl wuchs ständig. 1975 wurde ein zweiter großer Krankensaal notwendig. Heute leben durchschnittlich 140 Leprakranke in den kleinen, gesunden Wohnhäusern des Dorfes. Wer kann, arbeitet mit: auf den Feldern und in der Reisverarbeitung, in der Schweinemast und der Hühnerfarm, in der Weberei, Holzschnitzerei oder auch in der Küche. Wer will, kann sogar seinen Schulabschluß nachholen. Das alles fördert die Selbständigkeit der Patienten und hilft ihnen nach ihrer Gesundung bei der Rückkehr in die Familie und in das Arbeitsleben.

1873 entdeckte der Norweger Gerhard Hansen den Leprabazillus. Damit wurde eine systematische Bekämpfung dieser furchtbaren, den Menschen verstümmelnden Krankheit überhaupt erst denkbar. Der dem Tbc-Erreger ähnliche Leprabazillus überträgt sich hauptsächlich durch Hautkontakt, entwickelt sich jedoch oft sehr langsam.

Es kann drei, aber auch 30 Jahre bis zum Ausbruch der Lepra dauern. Begünstigt wird die Anstek-kung durch Hunger, einseitige Ernährung (Fehlernährung), un-

sauberes Trinkwasser und mangelnde Hygiene.

Die schlimmste Folge der Lepra ist der „soziale Tod", das Ausgestoßensein aus der menschlichen Gesellschaft. Eine Absonderung jedoch ist nicht notwendig, wenn bestimmte hygienische Vorausset-

zungen geschaffen sind. Außerdem kann die Mehrzahl der an Lepra erkrankten Menschen heute mit Erfolg behandelt werden. Hier wirken die entsprechenden Medikamente wirklich Wunder; wenigstens können sie die Lepra in jedem Stadium zum Stillstand bringen.

Der Kampf gegen die Lepra verlangt einen hohen Einsatz. Nicht nur materiell, sondern vor allem auch ideell: Demut, Hingabe und Opferbereitschaft sind erforderlich. Die Kamillianer, ein im 16. Jahrhundert von dem Italiener Kamillus von Lellis gegründeter Orden der Katholischen Kirche, stehen im Kampf gegen die Lepra seit Jahrzehnten mit an vorderster Front. Für die, die in diesen 25 Jahren in Khokwat gearbeitet haben, wurde dieser Dienst hier zur größten Herausforderung ihres Lebens.

Das gilt auch für den Kamillia-ner-Bruder Gianni Dalla Rizza, der heute mit der Leitung des Lepradorfes beauftragt ist. Für den 48jährigen Ordensmann aus Italien und seine Mitarbeiter steht die Sorge um die ihnen Anvertrauten an erster Stelle.

• Das bedeutet zunachst, den Unterhalt fiir die zumeist bitterarmen Leprakranken zusammenzubetteln. Denn eine Krankenkasse, die zahlt, gibt es nicht. AuBerdem stammt ein GroBteil der Kranken aus den Slums von Bangkok. Der Lebensunterhalt in Khokwat betragt pro Person im Monat umgerechnet 700 Schilling.

• Das heiBt auch, fiir die medizini-sche Betreuung und die Medikamente zu sorgen. Und die sind nicht billig und oft sehr schwer zu haben. 2.000 Schilling kosten die Medikamente, die notwendig sind, um einen Leprakranken zu heilen.

• SchlieBlich liegt Bruder Gianni eine auch medizinisch beste Be-handlung seiner Kranken am Herz-en. Viele leiden nicht nur an Lepra, sondern auch an schweren Folgeer-scheinungen wie Tbc, Knochener-krankungen, Verbrennungen, Aids und Tropenkrankheiten wie Malaria, Cholera, Wurmkrankheiten und so weiter. Ein modernes Diagnose-und Therapiezentrum ist deshalb dringend erforderlich.

Kosten fur den Bau und die In-stallationen: 500.000 Schilling. Fur die medizinischen Gerate 400.000 • Schilling. Fiir Westeuropa sind das undenkbare Niedrigstpreise, fiir Menschen jedoch, die kaum Geld fiir das tagliche Brot haben, han-delt es sich um eine unerschwingli-che Summe.

Der Autor ist Provinzial der Kamillianer in Osterreich

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