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Nahrung aus dem Mullberg

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Unvorstellbare Lebensbedingungen in einer Millionenstadt Kolumbiens: Familien suchen ihre Nahrung im Abfall der Stadt. Eine Aktion kommt den Betroffenen zu Hilfe.

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Unvorstellbare Lebensbedingungen in einer Millionenstadt Kolumbiens: Familien suchen ihre Nahrung im Abfall der Stadt. Eine Aktion kommt den Betroffenen zu Hilfe.

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An den Hängen des Müllberges der Zwei-Millionen-Stadt Medel-lin wohnen 18.000 „wilde Siedler“, die Einwohner des Barrio „El Bosque“.

Ihr erster Arbeitsplatz ist die Müllhalde, auf der sie nach genießbaren Resten und brauchbaren Stücken des Großstadtabfalls suchen. Es sind meist junge Familien, die als Folge der hoffnungslosen Situation auf dem weiten Land von Kolumbien in die Stadt fliehen, um vielleicht dort Wohnung, Arbeit und das zum Leben Nötige zu finden.

Bevor die unbarmherzigen Ketten der Planierraupe alles Verwertbare zudecken, suchen Eltern und vor allem Kinder aus dem Müllberg zu retten, was zu retten ist - im Wettlauf mit den „Gallinasos“, den vom Abfall lebenden Geiern. Die Folgen dieser Lebensart für Hygiene und gesundheitliches Befinden der Kinder sind katastrophal.

Seit drei Jahren versucht der Kamillianerpater Zeffirino Mon-tin besonders den zahllosen Kindern zu helfen. Von den 18.000 Einwohnern des Barrio „El Bosque“ sind 7.000 Kinder jünger als zehn Jahre.

Aber auch, die staatliche Gesundheitsbehörde ist aktiv geworden. Ihre Reihenuntersuchungen haben bewiesen: 4.000 der 7.000 Kinder von „El Bosque“ sind unterernährt und leiden zum Teü schwer an Tuberkulose (Tbc).

Betroffen von dieser Situation der Kinder vom Müllberg hat der junge Kamillianer P. Zeffirino Montin 1984 mit einer Hilfsaktion begonnen: ein Becher Much täglich für den kleinen Bruder.

Inzwischen hat er bereits 110.000 Becher Milch und Babynahrung für unterernährte Kleinkinder ausgegeben. Die ärmsten, unterernährten und kranken Kinder sind seine „Dauergäste“ geworden:

• 120 unterernährte Kleinkinder im Alter von bis zu sechs Jahren erhalten zweimal täglich eine kräftigende Kindernahrung und

• 90 unterernährte schulpflichtige Kinder im Alter von sieben bis 15 Jahren täglich eine warme Mahlzeit.

Auf diese Weise erreicht P. Zeffirino mehrere Ziele:

• Er holt die Kinder — besonders die bereits kranken und schwachen — von der Müllhalde und befreit sie von Schmutz, Infektion und Verseuchung;

• er hilft den Eltern bei der Vermittlung einer minimalen Hygiene für die Kinder;

• er zeigt den Kindern einen Weg zu einer menschenwürdigen Lebensweise;

• er schafft die Voraussetzungen zum Besuch einer Schule;

• er gibt mit der einen warmen Mahlzeit täglich die Voraussetzung zur Aneignung von Büdung und zum Erlernen eines Berufes;

• er lebt mit den Kindern das Evangelium, damit sie als Christen und nicht als ums nackte Überleben kämpfende „Werwöl-fe“ aufwachsen;

• er bereitet sie auf die Erstkommunion und auf die Firmung vor, damit sie lernen, religiöse und soziale Höhepunkte in ihrem Leben zu erfahren;

• er organisiert um sein Ernährungszentrum „Centro de Nutri-cion“ ein Pfarrleben mit Hilfe freiwilliger Helfer und zieht die aus Lethargie und Hoffnungslosigkeit befreiten Bewohner von „El Bosque“ mit ein.

Ein zusätzliches neues Projekt von P. Zeffirino ist die Betreuung kranker Kinder. Die schlechten hygienischen Verhältnisse und die Unterernährung sind eine Brutstätte für Tbc und Infektionskrankheiten. Ein von Wohltätern ererbtes kleines Landgut ist notdürftigst eingerichtet, sodaß jeweils 25 Kinder dort einige Wochen behandelt, regelmäßig ernährt und menschlich betreut werden können.

Wie leicht P. Zeffirino und damit den Kindern vom Müllberg in Medellin geholfen werden kann, zeigt folgende Aufstellung: Eine Flasche Much oder Kindernahrung kostet sechs Schilling, eine warme Kindermahlzeit zwölf, und 60 Schilling pro Tag reichen für ein krankes Kind im Erholungsheim!

P. Leonhard Gregotich ist ProvinzUl der Kimilliinw in Österreich.

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