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Unser Zinsfuß hinkt großen und kleinen Standesvertretern?

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In einer Zeit instabilen Geldes haben die H a b e n z i n s e n für den Einleger einen doppelten Charakter. Einerseits stellen sie eine Prämie für seine Kaufkrafthergabe dar, einen Preis für den gegebenen Kredit, der bisher in der Wirtschaftstheorie wie in der Sozialtheologie in verschiedener Weise auf seine Rechtfertigung hin interpretiert wurde („Zinstheorien“). Auf der anderen Seite sind die Habenzinsen aber nunmehr auch eine A b-geltung des Kaufkraftschwundes, den das eingelegte Geld während der Depotdauer erleidet; werden doch nach dem Nominalwertprinzip für eingelegte Schilling eben nur nominell gleich viel Schilling zuzüglich Zinsen zurückgezahlt.

Der Kreditnehmer empfängt daher über ein Geldinstitut nicht nur Kaufkraft zur Nutzung, sondern erhält durch den. Kreditvertrag auch das Recht, besser die Chancen, unter Umständen gutes Kreditgeld mit jeweils schlechterem Geld zurückzahlen zu dürfen. Vorausgesetzt, daß keine Wertsicherung abgemacht wurde. Das bedeutet, daß der Kreditnehmer real weniger zurückzahlen muß, als er empfängt.

Für den Kreditgeber — und jeder, auch der kleinste Sparer befindet sich in der Rolle eines solchen — spielt die Tatsache, daß er real weniger zurückerhält, als er gegeben hat, eine Rolle, die in einem steigenden Umfang zum Bewußtsein der Massen kommt. Wer am 2. Jänner eines Jahres S 100.— einlegt und seine Einlage ein Jahr später abhebt, erhält bei einem zwischenzeitlichen Kaufkraftschwund von 3 Prozent real nur noch S 97.—. Beträgt der Spareinlagenzinsfuß 3,5 Prozent, hat dies zur Folge, daß der Einleger zwar einschließlich der Zinsen nominell S 103,50 ausbezahlt erhält, real jedoch nur ungefähr S 100,50. Die Verzinsung hat daher im gegebenen Fall nur 0,5 Prozent betragen, weniger als bei täglich kündbarem Geld.

Trotz Anstieg der Masseneinkommen ist die Sparfreudigkeit keineswegs überproportional in jenem Maß gestiegen, von dem die Theorie bei Vorhersage der Wirkungen von Einkommensanstiegen ausgeht. Angesichts der ostentativen Benachteiligung der kleinen Gläubiger (der kleinen Sparer) gegenüber den wohlhabenden oder den ausgabefreudigen Schuldnern verkaufen die „Massen“ noch immer in einem unvertretbar hohen Umfang lieber ihr „G'wand“ und fahren in das, was sie den „Himmel“ nennen. In der Sprache des Marketing heißt das: Die Massen verwenden ein Mehreinkommen weitgehend und zu weitgehend zum Erwerb von aufwendigen Konsumgütern.

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