Aquino, der Obama der Philippinen

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Seit einem Jahr ist der Sohn von Corazon Aquino, Benigno, Präsident der Philippinen. Er ist seither vom unscheinbaren Politneuling zum Liebling der Mehrheit des Volkes aufgestiegen.

Die Erwartungen sind hoch und die Probleme gewaltig. Von ihm werden Lösungen erwartet - und sie werden ihm auch zugetraut. Für viele reichen diese knappen Fakten aus, um Benigno (genannt "Noynoy“) Aquino mit dem US-Präsidenten Barack Obama zu vergleichen.

Am 10. Mai des Vorjahres wurde der Sohn der kurz vor der Wahl an Krebs verstorbenen früheren Präsidentin Corazon Aquino zum 15. Präsidenten der etwa 90 Millionen Philippinen gewählt. Der gute Ruf seiner Mutter färbe auf ihn ab, heißt es oft. Corazon Aquino hatte 1986 an der Spitze eines Volksaufstandes den Diktator Ferdinand Marcos aus dem Amt vertrieben. Politik liegt dem 51-Jährigen quasi doppelt im Blut: Sein Vater war Senator und einer der schärfsten Gegner von Ferdinand Marcos. Vater "Ninoy“ Aquino führte die Opposition aus dem Exil in Amerika. Bei seiner Rückkehr in Manila im Jahr 1983 wurde er auf dem Flughafen von Manila erschossen. Auch Sohn Noynoy hat Bekanntschaft mit scharfer Munition gemacht: Im August 1987 geriet er bei einem Putschversuch gegen seine Mutter in eine Schießerei und wurde durch fünf Schüsse schwer verletzt. Eine dieser Kugeln steckt bis heute in seinem Hals.

"Sie haben bei der Wahl ihrer Eltern ein gutes Händchen gehabt“, soll Südafrikas früherer Präsident Nelson Mandela gegenüber dem jetzigen Präsidenten einmal gewitzelt haben. "Meine Eltern haben mir eingebläut, immer für die zu kämpfen, die weniger haben, die machtlos sind. Warum sollte ich nicht in ihre Fußstapfen treten?“, sagte Noynoy Aquino einmal in einem Interview. Seine Vereidigung und Amtsübernahme erfolgten am 30. Juni des Vorjahres. Präsident Benigno Simeon Cojuangco Aquino III. hat ein schweres Erbe angetreten; die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme sind gigantisch. Kommunistische Rebellengruppen machen ganze Landstriche unsicher, zudem kommt es im Süden der mehr als 7100 Inseln umfassenden Philippinen, in Mindanao, seit den 1970er-Jahren zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Rebellen der "Moro National Liberation Front“ (kurz MNLF), der "Moro Islamic Liberation Front“ (MILF) und Regierungstruppen. Auch das Militär selbst ist ein unstabiler und gleichzeitig wichtiger politischer Faktor: Allein seit 1987 gab es vier Militärputsche.

Soziale Probleme

Sprengkraft haben auch die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Philippinen: Die Kluft zwischen Arm und Reich ist immens; rund 30 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Slums und Müllberge sind in Manila in unmittelbarer Nähe der Wolkenkratzer und eindrucksvollen Skyline des Finanz- und Wirtschaftszentrums "Makati“ zu finden.

Nächstes Problem: Die Philippinen gelten als eines der korruptesten Länder der Welt. Sie in Gegenwart und Zukunft zu bekämpfen sowie die Nutznießer rund um die ehemalige Präsidentin Arroyo zur Rechenschaft zu ziehen, ist eine weitere dringend zu lösende Aufgabe für den "neuen“ Präsidenten. Der Präsident selbst war noch nie in einen Skandal verwickelt - ungewöhnlich auf den Philippinen und vor einem Jahr sicher auch eine Wahlempfehlung.

Eine ganz andere "Baustelle“ ist die ständige Gefährdung der Philippinen durch Taifune, Erdrutsche und andere Umweltkatastrophen. Zuletzt bedrohte der durch das Erdbeben in Japan ausgelöste Tsunami ganze Küstenstriche. Die Sanierungs- und Aufräumarbeiten nach dem Taifun "Ondoy“ im November 2009 sind übrigens noch nicht abgeschlossen.

Ungelöst ist nach wie vor auch die Frage der Landreform. Mehr als eine Million Hektar privater Grundbesitz soll neu verteilt werden, darunter auch die Hacienda des Präsidenten selbst.

Heftige Diskussionen

Für heftige Diskussionen sorgt derzeit auch die sogenannte "RH-bill“, die "reproductive health bill“. Im heiß umstrittenen Gesetz geht es um so viele und unterschiedliche Themen wie die Selbstbestimmung der Frau über Anzahl der Kinder sowie die Senkung der Kinder- und Müttersterblichkeit, um großangelegte Informationskampagnen über HIV/AIDS und Empfängnisverhütung bis hin zur Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Kurios: Als Präsident ist "Noynoy“ Aquino generell für die darin enthaltenen Anliegen, als Katholik allerdings dagegen.

Viele offene politische Großbaustellen also. Dabei wurde Aquino erst 40 Tage nach dem Tod seiner Mutter im Sept 2009 politisch aktiv. Davor hatte er in Manila Wirtschaftswissenschaften studiert. Lange Jahre lebte er mit seiner Familie in Boston in den USA im Exil und war später als Manager tätig. Kritiker sprechen dem gebeugt gehenden 51-jährigen Kettenraucher mit Stirnglatze jegliches Charisma ab. Doch unter seinen zahlreicher werdenden Anhängern gilt er als geradlinig, bescheiden und hartnäckig - Qualitäten, die der Präsident durchaus brauchen kann.

"Yes, he can“, meinte die Mehrheit der Wähler in Anlehnung an Obama. Mehr als 15,2 Millionen Menschen wählten den unscheinbaren "Mann von nebenan“ mit dem berühmten Nachnamen vor einem Jahr zum 15. Präsidenten der Philippinen.

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