Erfahrungen im Land der Bibel

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"Ich habe deinen Mund geküsst, Jochanaan“, singt Salome bei den Salzburger Osterfestspielen - nachdem sie sich vom ermordeten Propheten geraubt, was ihr der lebende verweigert hat.

Richard Strauss hat die beiden ins Zentrum seiner Oper gestellt: Salome, Stieftochter von König Herodes Antipas - und Jochanaan, den wir Christen als Johannes den Täufer kennen. Es ist die ewige Geschichte von Macht, Begehren und Askese. Mit furchtbaren Folgen.

Wüste, Säulenreste, Salzmeer

Nur wenige Tage vor Ostern stehen wir - die Teilnehmer der diesjährigen FURCHE-Leserreise - vor dem historischen Schauplatz dieser Tragödie: Machärus, ein mächtiger Sandsteinkegel hoch über dem Toten Meer. Einst Palast und Bergfestung inmitten von Kornfeldern und Weiden. Jetzt steinig und ausgedörrt - als hätte sich das Land ringsum dem Schrecken des hier Geschehenen ergeben. Kaum ein Touristenbus verirrt sich in dieses alte Grenzland zwischen der römischen Provinz Peräa und dem Nabatäerreich.

Wo heute nichts mehr ist als Wüste, Säulenreste und das ferne glitzernde Salzmeer, da bleibt viel Raum für Gefühle und Fantasien: Hier also starb der letzte und größte Prophet vor Jesus; eine der großen Figuren des Christentums.

Unterwegs durch Jordanien erlebe ich wieder, was auch im nahen Israel so oft spürbar wird: Die enorme spirituelle Aufladung biblischer Landschaften. Und einmal mehr ertappe ich mich dabei, die Aura "heiliger Stätten“ eher auf diesem geschichtsgetränkten Boden zu empfinden als in alten und neuen Kirchen beiderseits des Jordan.

Wie berührend etwa: In Israel der Blick vom "Berg der Seligpreisungen“ und die Mohnfelder im "Tal der Tauben“. Und in Jordanien die absolute Stille der Wüste im Wadi Rum - und das Weltwunder Petra, dessen Glanzzeit genau mit dem Leben Jesu zusammenfällt.

Und wie sehr habe ich mich auch diesmal auf den Berg Nebo gefreut, von dem Moses, alt und "lebenssatt“, erstmals das Gelobte Land gesehen hatte. Gefreut auf die uralten Mosaike, die zeitlosen Schafherden, den Wind aus dem Jordantal - und den Blick hinauf bis nach Jerusalem. Jetzt aber wächst am Nebo eine gewaltige Kirche. Zwischen Betonplatten und Sperrgittern ist kaum noch Platz, um die Seele ins Schwingen zu bringen.

Der Traum vom "Reich Gottes“

Und wie gespannt war ich auf die neue "Taufstelle Jesu“ am Ostufer des Jordan - religiös beglaubigt durch den Papstbesuch 2009 und die jüngst entdeckten Zisternen und Taufbecken. Die erlebte Wirklichkeit hält der Erwartung nicht stand: Weil der Jordan kaum noch den Namen "Bach“ verdient. Weil am anderen Ufer - mitten im Minengürtel der Nahostfront - Israels Soldaten mit MGs patrouillieren. Vor allem aber, weil hier neben-(gegen-?)einander Kirche um Kirche entsteht: koptisch, orthodox, katholisch, armenisch … Elf Konfessionen, alle christlich, sind schon vertreten. Weitere sollen folgen.

Johannes und Jesus am Jordan. Hier hat einst die große Vision vom "Reich Gottes“ begonnen. Hier prallt heute der Traum von Frieden, Versöhnung und Einheit ganz ungebremst auf die politische und christliche Wirklichkeit.

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