Kein intellektueller Dialog auf Augenhöhe

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Seit geraumer Zeit gibt es verstärkte Aktivitäten von "konfessionsfreien" oder "religionsfreien" Gruppierungen. Das ist eine unmittelbare Folge einer religiös pluralen Gesellschaft. Die Atheistin Ulrike von Chossy, Leiterin der "Humanistischen Grundschule Fürth" und der Agnostiker und Politologe Michael Bauer stellen das in ihrem Buch "Erziehen ohne Religion" dar, das ein Ratgeber für Eltern und Lehrer sein will.

Wenn Religionspädagoge Martin Jäggle seinen Mitchristen ins Stammbuch schreibt, sie müssten sich der intellektuell anspruchsvollen Herausforderung stellen, ihren Glauben in der Gegenwartsgesellschaft zu legitimieren (vgl. Seite 4 dieser FURCHE), dann gilt das aber nicht minder für die Religionskritiker. Zwar geben die Autoren in "Erziehen ohne Religion" vor, der Religion nicht am Zeug flicken, sondern nur ihr Recht auf Religionslosigkeit artikulieren zu wollen, sie bieten aber wenig mehr als ein Sammelsurium an Argumenten aus der Mottenkiste der Religionskritik oder der unverblümten Absolutsetzung einer Wissenschafts-"Gläubigkeit".

Dabei werden Erkenntnisse aus Pädagogik, Psychologie und Neurobiologie so dargestellt, als wäre wissenschaftlich bewiesen, dass Religion oder Glaube an Gott rein biologisch zu erklären sind. Dazu kommen pädagogische Prämissen, die nichts mit Religion oder Religionslosigkeit zu tun haben: Dass Kinder zum Fragen sowie zu einem selbstbestimmten und selbstverantworteten Leben angeleitet werden sollen, wird jeder Religionspädagoge, der auf der Höhe der Zeit ist, genauso fordern wie a(nti)religöse Erzieher. Wenn dann die Autoren des Bandes gar fordern, religionsfreie Eltern sollen darauf dringen, dass in den Kindergärten ihrer Kinder auch die Evolutionstheorie zur Sprache kommen müsse, zeigt sich die Absurdität der Argumente: Man fühlt sich als christlicher Vater unverstanden, wenn einem nicht abgenommen wird, dass man seinen Kindern im Vorschulalter oder danach natürlich nicht beibringt, dass etwa die Welt in sieben Tagen erschaffen wurde So arbeitet sich das Buch an Argumenten einer Generation, die sich von den Schattenseiten der Religion determiniert fühlte, weiter ab. Auf diese Weise ist ein intellektueller Dialog auf Augenhöhe aber nicht möglich.

Man muss dem entgegen auf einen Klassiker von religiöser Seite hinweisen: Der Tübinger evangelische Religionspädagoge Friedrich Schweitzer hat sein "Das Recht des Kindes auf Religion" überarbeitet und genau um die hier angerissenen Diskurse erweitert. Schade, dass die religionskritische Community bislang kein vergleichbares Argumentationsniveau anzubieten hat.

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