"Müssen Bibel fair auslegen"

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"Die Erzeltern Israels" und "Gottesstreiterinnen":

Irmtraud Fischer hat das

Alte Testament aus "gender-fairer" Perspektive erforscht. Nach 13 Semestern in Bonn kehrt sie nun an die Universität Graz zurück.

Die Furche: Wie groß ist die Freude über die Rückkehr nach Graz?

Fischer: Das neue Hochschulgesetz erschwert jeden internationalen Austausch derart, dass es lange unklar war, ob ich kommen kann. In Deutschland hatte ich eine C4-Professur, jetzt bin ich eine Angestellte mit sechs Wochen Kündigungsfrist. Im Endeffekt war das eine Entscheidung, die in mein Privatleben gefallen ist.

Die Furche: Herrscht auch in der feministischen Theologie mittlerweile Ernüchterung?

Fischer: Faktisch wird das Erreichte überall zurückgebaut. Ob mein Lehrstuhl für "Altes Testament und Theologische Frauenforschung" in Bonn nachbesetzt wird, ist fraglich. Wenn das Geld fehlt, würgt man eben das ab, wo es am wenigsten weh tut - und das sind wie immer die Frauen.

Die Furche: Inwieweit hat sich die feministische Theologie etabliert?

Fischer: So lange der Druck von der Basis da war, hat man gemeint, es herrsche Aufbruchstimmung. Und in dem Moment, wo jemand gediegene Arbeit leistet, sagt man, es ist fad geworden. Mit diesem Problem habe ich als "etablierte" Frauenforscherin zu kämpfen. Die erste Generation von Frauenforscherinnen haben uns oft den Vorwurf gemacht, wir hätten uns zu stark integriert. Doch man kann die Methoden der Straße nicht auf Lehrstühle übertragen. Wenn man in die akademische Szene einsteigt, hat man ein gewisses Niveau zu bieten. Ohne gediegene Arbeit hat man keine Chance zur Integration.

Die Furche: Was verändert feministische Theologie?

Fischer: Sie muss einerseits Kompensationsgeschichte betreiben: all die Frauentraditionen, das Archivmaterial über Frauen in der Kirchengeschichte muss einmal gehoben werden - wie das Elisabeth Gössmann mit dem Archiv für Frauenforschung gemacht hat. Das alles ist aber zu wenig, wenn man die offizielle Geschichte weiterhin als normale Männergeschichte bestehen lässt. Das führt dann zu Religionsbüchern, die ein Kapitel über Propheten und Patriarchen haben - und ein Kapitel über die Frauen des alten Testaments. Damit sagt man, dass Frauen eine Sonderkategorie des Menschseins sind. Mein eigener Ansatz ist ein geschlechterfairer Ansatz, der - so lange es ein Ungleichgewicht zwischen männlichem und weiblichem Anteil in der Gesellschaft gibt - mit einer Option für Frauen durchgeführt werden muss. Man muss die Bibel fair auslegen: Es kann nicht sein, dass man ein und die selbe Vokabel bei Frauen mit "sich aufhalten" und bei Männern mit "Dienst am Heiligtum" übersetzt. Im Kommentar heißt es dann: Die Frauen verrichten Putzdienste am Heiligtum, während die Männer ihren offiziellen Heiligtumsdienst versehen. Das geht nicht an.

Die Furche: Wie bewerten Sie die Rolle von Elisabeth Gössmann in der feministischen Theologie?

Fischer: Sie ist eine der herausragenden historischen Forscherinnen im deutschen Sprachraum. Sie ist wohl auch deswegen so stark im Bewusstsein, weil sie das Schicksal der ersten Generation voll erlitten hat. Ihrer Meinung nach kommt das Umdenken zu spät. Doch ich bin anderer Ansicht. Vergangenes Jahr habe ich die Laudatio für ihr drittes Ehrendoktorat in Bamberg gehalten - allein an dieser Entwicklung sieht man, dass sich vieles verändert hat.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

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