Benko Signa - © Foto: APA / Helmut Fohringer

Signa-Benko: „Ein Unternehmen auf tönernen Füßen“

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Im Unterschied zu Banken müssen Unternehmen wie Signa keine Stresstests bestehen, kritisiert Finanzexperte Kurt Bayer – und macht einen Vorschlag gegen schnelles Parken von Gewinnen in Stiftungen.

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Im Unterschied zu Banken müssen Unternehmen wie Signa keine Stresstests bestehen, kritisiert Finanzexperte Kurt Bayer – und macht einen Vorschlag gegen schnelles Parken von Gewinnen in Stiftungen.

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Weder die Weltbank noch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung würde in eine undurchsichtige Firmenstruktur à la Signa-Benko investieren, sagt Kurt Bayer, der für beide Organisationen gearbeitet hat.

DIE FURCHE: Herr Bayer, der Insolvenzverwalter der Signa Holding wagt erst in einigen Wochen eine Einschätzung abzugeben, ob der Plan hält, die mit fünf Milliarden Euro verschuldete Firma zu sanieren. Aufgrund ihrer Komplexität sei diese Insolvenz anders als übliche Sanierungsverfahren. Gehörte diese Kompliziertheit zum System Signa?
Kurt Bayer: Die Signa ist keine an der Börse notierte Gesellschaft, sondern eine privat geführte Kapitalgesellschaft, und dadurch fallen viele Kontrollmechanismen weg. Bei privaten Gesellschaften kann der Eigentümer machen, was er will.

DIE FURCHE: Als Laie im Wirtschaftsrecht fragt man sich trotzdem: Ist das bei einem Unternehmen dieser Größenordnung „normal“?
Bayer:
Das „normale Geschäftsmodell“ wäre, dass die Signa über eine hierarchisch gegliederte Holdinggesellschaft mit ein paar Untergesellschaften an der Börse notiert ist. Eine Struktur, wie sie die Signa jetzt hat, würde die Börse nicht akzeptieren.

DIE FURCHE: Warum?
Bayer:
Weil zu viele nicht kontrollierbare Finanzflüsse zwischen den einzelnen Untergesellschaften stattfinden könnten. Ich habe fünf Jahre in London bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) gearbeitet. Da war es unser täglich Brot, von den osteuropäischen Firmen, in die die EBRD investierte, klare und eindeutige Strukturen zu verlangen. Eine öffentliche Bank wie die EBRD oder die Weltbank hätte in ein intransparentes Unternehmen wie die Signa nie investieren dürfen.

DIE FURCHE: Aber das System Signa war doch nicht illegal!
Bayer:
Das Problem ist, dass es auf der Regulierungs- und Aufsichtsseite niemanden gibt, der einen Herrn Benko daran hindern kann, so eine Struktur aufzusetzen. Das ist legal. Aber sehr viele Transparenzregeln, die börsennotierte Gesellschaften in dieser Größenordnung einhalten müssen, sind bei privat geführten Gesellschaften nicht notwendig. Aufgrund der sehr komplexen Struktur gibt es keine Gesamtkonzernbilanz. Man weiß überhaupt nicht, wie die Gesamtvermögenswerte und Verbindlichkeiten in der ganzen Gruppe mit ihren hunderten Untergesellschaften aussehen.

DIE FURCHE: Sie sagen, die Weltbank oder die EBRD würde nie in ein Unternehmen wie Signa investieren. Warum sind dann so viele erfahrene Wirtschaftskapitäne und Banken eingestiegen?
Bayer:
Das ist das große Rätsel! Ich glaube, das hängt mit dem Phänomen des charismatischen Unternehmensgründers zusammen. Benko hat angeblich immer jeweils mit Einzelpersonen verhandelt und sie vom jeweiligen Geschäft überzeugen können. Natürlich kann man den kreditgebenden Banken und Investoren jetzt sagen: Selbst schuld, wenn ihr Geld verliert, ihr habt euch in diese optimistischen Prognosen hineintreiben lassen. Mein Problem mit Signa war immer, dass das viel zu rasch und viel zu groß gewachsen ist. Wenn es Zuwachsraten von 20 Prozent pro Jahr gibt, muss es irgendwann schiefgehen.

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