Wie sinnlos ist Ehrlichkeit?

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Die Furche-Herausgeber

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Karl Kraus soll einst, von einem Studenten auf seine Meinung über Wirtschaftsethik angesprochen, lapidar geantwortet haben: Wirtschafts-Ethik? Sie werden sich entscheiden müssen! Milton Friedman meinte das Gleiche, als er trocken feststellte: "The business of business is business.“ Und dennoch hat die Auseinandersetzung mit "Wirtschaftsethik“ Hochkonjunktur. Die einschlägige Ringvorlesung an der Wirtschaftsuniversität, an der ich einmal pro Semester mitwirke, ist immer gut besucht.

Teil einer sozialen Ordnung

Die Studierenden kommen wohl auch deshalb hin, weil sie Wirtschaften nicht bloß als aseptische Übung in asozialer Nutzenmaximierung sehen, sondern auch als nützlichen Teil einer sozialen Ordnung, zu der auch sie gehören und etwas beitragen wollen. Ihr Zugang ist zugleich pragmatisch und idealistisch. Sie wollen, wenn sie das Studium abgeschlossen haben, etwas Erfolgreiches, Wertschöpfendes, wenn möglich gut Bezahltes tun. Es soll aber irgendwie schon auch "Sinn machen“. Einst ihre ganze unternehmerische Energie in die Konstruktion aberwitziger Verwirrspiele für Steuerbehörden zu investieren, fänden sie wohl absurd. Noch so smarte, neurolinguistisch programmierte Wortkaskaden eines ehemaligen Finanzministers darüber, dass das alles ganz normal sei, würden sie in ihrer jugendlichen Geradlinigkeit einfach nicht akzeptieren.

In seinem narzisstischen Amoklauf durch den verwirrten bis betörten Blätterwald diskreditiert er nicht nur unternehmerische Tüchtigkeit und die Grundregeln des politischen Handwerks. Er rückt auch wichtige Themenbereiche ins trübe Licht problematischer Praktiken, die sich wahrlich mehr Ernsthaftigkeit verdienen würden. Das war mit dem sogenannten Nulldefizit so, das wir zwar dringend gebraucht hätten, aber nicht auf Kosten der stillen Reserven unserer Nationalbank. Das ist mit der Privatisierung so, die ich für wichtig und in großen Teilen erfolgreich halte, deren Ansehen er aber durch zwielichtige Manöver beschädigt hat.

Und das gilt für jene Nationalökonomen der österreichischen Schule, die er dereinst zu Säulenheiligen seiner vorgeblichen Weltanschauung erklärte. Von Karl Menger über Ludwig von Mises bis hin zu Friedrich August von Hayek reichte der Reigen jener Gelehrten, die er zusammen mit marktradikalen Nobelpreisträgern vor seinen ungezügelten Liberalisierungskarren spannte. Jetzt, nachdem ihm alle Pferde davongaloppiert sind und klar wurde, welche Freiheiten er meinte, muss man auch sie davor schützen, in seinem Atemzug genannt zu werden.

Der Überflieger & his friends

Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, in dieser Kolumne nichts über den begabten Überflieger und seinen famosen Freundeskreis zu schreiben. Aber dann las ich einen Satz des kalabrischen Schriftstellers Corrado Alvaro. Dieser wird von seinem Landsmann Roberto Saviano in einem Lagebericht über die Zustände in seiner Heimat mit dem Satz zitiert: "Das Schlimmste, was einer Gesellschaft passieren kann, ist zu denken, dass Ehrlichkeit sinnlos ist.“ Deshalb kam KHG hier nun doch vor, ganz entgegen meiner ursprünglichen Absicht.

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