Zur Zeit schmachten drei zum Tod verurteilte Häftlinge in französischen Gefängnissen und warten, ob der Staatspräsident von seinem Gnadenrecht Gebrauch macht oder sie den letzten Gang zur Guillotine antreten müssen. Seitdem Giscard d'Estaing das höchste Mandat in der Republik übernommen hatte, ließ er in drei Fällen der Justiz ihren Verlauf und die fürchterliche Zeremonie fand wie üblich im Morgengrauen in einem Gefängnishofstatt. Aber nicht nur drei Schwerverbrecher müssen damit rechnen, daß sie für ihre Taten mit dem Leben bezahlen: Man gewinnt den Eindruck, die ganze französische Nation sei vor einem gewaltigen Hinrichtungsapparat versammelt und müsse selbst entscheiden, ob ab diesem März der Lebensrhythmus bleibt, wie er sich in Jahrhunderten zwischen Rhein und Atlantik entwickelt hat, oder ein vollkommener Wechsel erfolgt.
Nur noch Wochen hat man in Frankreich zu zählen, bis jenes Ereignis eintritt, das - wie immer es auch ausgeht - den Staat und die Nation mit neuen innenpolitischen Verhältnissen konfrontieren wird. Obwohl gerade zu Beginn des Jahres Frankreich durch einige Affären erschüttert wurde, etwa die Entführung des belgischen Großindustriellen Em-pain, richten sich doch alle Blicke auf jene Männer, der politischen Bühne in Paris, die die „gute Botschaft vom irdischen Paradies“ verkünden.
Die beiden Regionen Korsika und die Bretagne haben auf Grund ihrer geographischen Lage keine Möglichkeit, mit ausländischen Regionen direkt in Kontakt zu treten. Dagegen ist es dem Elsass gelungen, gewisse Verflechtungen der lokalen Industrie mit der Schweiz und Baden-Württemberg in die Wege zu leiten. Aber die Einstellung der Regierung, werin versucht wird Paris auszuschalten und eine direkte Zusammenarbeit französischer, mit Nachbarregionen in den Grenzgebieten herzustellen, läßt sich folgendermaßen resümieren: „Frankreich unterstützt regionale Aktionen, welche ausschließlich von
Obwohl der offizielle Wahlkampf vor dem Gang zu den Urnen im März 1978 noch nicht mit voller Kraft eingesetzt hat, sind doch die großen Linien dieser innenpolitischen Entscheidung bereits sichtbar geworden. Nachdem die beiden Koalitionen, also die bisherige Majorität und die linke Opposition, ve Häufig ihre Reservoirs von Anhängern und Sympathisanten ausgeschöpft haben, geht es für die Parteistrategen darum, jene drei bis vier Prozent von Bürgern anzusprechen, von denen letzlich die Entscheidung über Sieg oder Niederlage abhängt. Darum werden einzelne Berufsstände umworben, und
General de Gaulle hat einmal geklagt, es sei sehr schwierig, eine Nation zu regieren, die mehr als 100 Käsesorten fabriziere. Diese ironische Bemerkung bezog sich natürlich auf die Tendenz der Franzosen, sich in zahlreiche politische Parteien zu zersplittern. Manche dieser Parteien sind nicht einmal im Parlament vertreten. Auch zu Beginn des Wahlkampfes, der im März 1978 seinen Höhepunkt erreichen soll, stellen sich die verschiedensten Parteien vor und versprechen für den Fall ihres Sieges das irdische Paradies.Jede Partei will sich überdies als die bedeutendste politische Kraft des
Anstelle der Begeisterung für Bikini-Mädchen an den Badestränden Frankreichs wird der Durchschnittsfranzose nach der Urlaubszeit wieder mit den lieblichen Gesichtem seiner politischen Prominenz konfrontiert. Mit Beginn des Herbstes läuft ein Wahlkampf an, der bereits jetzt schwere Schatten vorauswirft und brutale Rücksichtslosigkeit verspricht, wie man sie seit Jahrzehnten auf den Politbühnen Europas nicht mehr zu sehen bekam.
Die zynische Bemerkung des großen Königs Henri IV., Paris sei eine Messe wert, hat eine gewisse Berechtigung auch in unseren Tagen nicht verloren. Wer es in Frankreich zu etwas bringen will, der muß für kürzere oder längere Zeit in der Seinemetropole leben, studieren, praktizieren, sich Freunde und Beziehungen schaffen, um eine dauerhafte Verankerung in diesem wichtigsten Zentrum des politischen und wirtschaftlichen Lebens der Nation zu finden.Jahrhunderte hindurch hat Paris die größten Geister des französischen Volkes angezogen, während die Provinzstädte in Abgeschiedenheit und
Am 1. Juli dieses Jahres wurden in Paris keine nationalen Feste gefeiert, und es wurde auch nicht auf das Datum hingewiesen, das in der Geschichte dei westeuropäischen Völker eine nicht unbedeutende Rolle spielt. An diesem Tage fielen nämlich endgültig die Zollschranken zwischen den sechs Gründungsmitgliedern der EWG und den drei später dazugekommenen Staaten Großbritannien, Irland und Dänemark. Obwohl es sich dem Augenschein nach „nur“ um wirtschaftliche Maßnahmen internationaler Natur handelt, sind deren Folgen doch von weltpolitischer Dimension. Als der damalige französische
Nach der heißen Schlacht bei den letzten französischen Kommunalwahlen rechnete ein Großteil der Bürger und Wähler fest mit einer Erholungspause vor den Legislativwahlen im März 1978. Doch derartige Erwartungen auf seiten der Bevölkerung wurden von den Parteistrategen keineswegs berücksichtigt. Die Diskussion um die Erneuerung des Parlaments wurde sofort wieder entfacht und die V. Republik sieht sich schon jetzt in einen neuen Wahlkampf getrieben, der von Tag zu Tag schärfere Formen annimmt. So werden in diesen Monaten vor allem die verschiedenen Massenmedien daraufhin untersucht, wie
Wer in Paris gezwungen ist, sich im Wartezimmer eines Arztes die Zeit zu vertreiben, der wird in der Regel nach einem Stoß zerschlissener Zeitschriften greifen. Mit Sicherheit findet er dann einige Exemplare der „Jours de France“. Es handelt sich dabei um eine Publikation, die für alles wirbt, was die moderne Frau benötigt. Der Leser findet die Modemodelle der Saison und eine ausführliche Klatschspalte mit den Porträts all jener, die sich zur internationalen Gesellschaft zählen oder gerne zu ihr gezählt werden möchten.Nur den wenigsten allerdings ist bekannt, daß Dassault, der
Im Kampf um die Macht, der sich in Frankreich zwischen den Regierungsparteien und der Linken Union abspielt, wurden bisher nur wenige Argumente außenpolitischer Natur vorgebracht. Die Außenpolitik des Staates wird, seitdem General de Gaulle die V. Republik gegründet hat, als eine Domäne betrachtet, die ausschließlich vom Staatspräsidium persönlich inspiriert wird. Weder das Parlament, noch die politischen Parteien sind vorläufig in der Lage, internationale Probleme zur Unterstützung des Wahlkampfes heranzuziehen. Seit Giscard d’Estaing Präsident geworden ist, hat sich die
Als der Generalsekretär des Elysée am 30. März den versammelten Journalisten die Liste der neugebildeten Regierung Barre vorlas, vermochten diese Experten der Innenpolitik daraus sofort entsprechende Schlüsse zu ziehen. Wegen des Verschwindens sogenannter „politischer Minister“ wurde das neue Kabinett alsbald als ein Aeropag parteiungebundener Fachleute eingestuft. Von offizieller Seite wurde, entgegen der Tradition, den Namen der neuen Minister keine Parteietikette hinzugefügt. Der Staatspräsident hatte eine Regierung gebildet, die sich voll und ganz mit seinen Zielen
Seit Wochen steht ein Buch des früheren Unterrichtsministers Alain Peyrefitte mit dem Titel „Das französische Übel” an der Spitze der Bestsellerlisten aller französischen Zeitungen und Zeitschriften. In diesem Werk untersucht Peyrefitte das Funktionieren der staatlichen Einrichtungen und klagt die zentralisierte Bürokratie an, jede regionale Initiative zu ersticken.Ein aufmerksamer Beobachter des gegenwärtigen Frankreich kann wohl feststellen, daß Städte und Regionen sich bemühen, ein Eigenleben zu führen, aber die Stadt an der Seine saugt weiterhin die geistige Substanz der
In Kürze werden die Bürger Frankreichs aufgerufen sein, 35.000 Bürgermeister und 450.000 Gemeinderäte zu wählen. Uber eine Million Kandidaten bemüht sich um diese Ämter. Von besonderer Wichtigkeit dürfte der Urnengang in Paris sein, wo seit Jahrhunderten zum erstenmal wieder ein Stadtoberhaupt bestellt werden soll. Denn bisher wurde die Metropole vom Staat verwaltet, und ein beamteter Präfekt, der dem Innenminister unterstellt war, bestimmte die großen Linien der Kommunalpolitik. Man sollte annehmen, daß dies die Wahlpflichtigen veranlassen müßte, an den politischen Diskussionen
Unsere Zeit ist hektisch. Und Erinnerungen an vergangene Geschehnisse verblassen bald. Dennoch sollte gerade in diesen Tagen nicht auf jenes Ereignis vergessen werden, daß sich vor 50 Jahren abspielte:Am 15. August 1920 geschah das sogenannte Wunder an der Weichsel. Pilsudski gelang mit seinen Armeen ein überlegener Sieg über die Sowjet-Russen.Als sich Polen 1918 neu konstituierte, war es ein Staat mit lauter ungewissen Grenzen. Aus strategischen Gründen forderte Pilsudski ein Hinausschieben der östlichen Grenzen Polens, so weit als nur möglich. Und kam dadurch natürlich mit den Russen
Bei dem Erscheinen des Gedichtbandes „Fadensonnen“ zu Beginn dieses Jahres gestand die Kritik ihr leichtes Erstaunen, daß Celan, der früher nur in Abständen von drei bis vier Jahren einen Band vorzulegen pflegte, diese Gedichte so bald auf die „Atemwende“ vom Winter 1967 folgen ließ. „Atemwende“ war allerdings bereits in den Jahren 1963 bis 1965 geschrieben worden, wohl als Bekräftigung jener Worte aus der Büchnerpreis-Rede 1960: „Atem, das heißt Richtung und Schicksal“, die seitdem zahlreiche Auslegungen erfahren haben. Neben den in herkömmlicher Form publizierten
Wenn de Gaulle bei mehreren Gelegenheiten zum Ausdruck gebracht hat, daß ihm oppositionelle Strömun- . gen wenig Sorge bereiten, so scheint . sein Optimismus in der gegenwärtigen Lage fundiert: Alle verzweifelten Sammlungsversuche der verschiedenen Gruppen der Linken, die in den letzten Wochen unternommen wurden, um die Aufstellung eines gemeinsamen Kandidaten für. die kommende Präsidentenwahl zu realisieren, erwiesen sich als- wenig wirkungsvoll. Zwar herrscht .sowohl hpi 4ch Radikalsoziglen gjs auclj bei . ‘den Sozialisier!, hei ‘ den. Gewerkschaften a,ls auch bei den Kommunisten