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aktion kleinschreibung

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So nennt sich eine Arbeitsgemeinschaft, die gemeinsam mit dem Schweizer bund für vereinfachte rechtschreibung“ und der deutschen „arbeitsgemeinschaft neue rechtschreibung“ über ihre Ziele aufklärt und für die Einbürgerung einer gemäßigten Kleinschreibung wirbt. Hören wir aufmerksam und ohne Vorurteil ihre Argumente:

Bis etwa 1500 gab es keine Großschreibung im heutigen Sinn, sondern nur prächtig verzierte Initialen in den Handschriften, die auch bei Wörtern wie GOTT, HERR usw. angewendet wurden. Nach der Erfindung des Buchdrucks treten Großbuchstaben häufiger, aber immer noch recht willkürlich angewendet, auf. Erst im Laufe des 17. Jahrhunderts setzt sich die Großschreibung der Hauptwörter durch, und im 18. Jahrhundert legen Gottsched und Amelung jene Regeln für die Großschreibung fest, die ungefähr auch heute noch gelten. Trotz einer gewissen Rückläufigkeit (Duden: „In Zweifelsfällen schreibe klein!“) beherrschen seit 200 Jahren die Initialen das Schrift- und Druckbild der deutschen Sprache. Nachdem 1948 Dänemark durch ein Gesetz die Kleinschreibung eingeführt hat, sind die Deutschschreibenden die einzigen, die noch an der Großschreibung festhalten.

Die Schwierigkeiten der Großschreibung kennt jeder Lehrer und Erzieher. Selbst diejenigen, die „sattelfest“ sein müßten, haben in dem berühmten „Kosogschen Diktat“ aus dem Jahre 1912 kläglich versagt: 30 Lehrer mit seminaristischer Vorbildung machten durchschnittlich 13 Fehler, 22 Studenten 18 Fehler und 10 Akademiker mehr als 20! Bei einer Abstimmung der rund 25.000 Mitglieder des Buchdruckerverbandes stimmte 1931 nur ein Viertel für die Beibehaltung der Großschreibung. Seither wurden immer wieder Vorstöße in dieser Richtung unternommen und Vereine zur Förderung einer vereinfachten Rechtschreibung, insbesondere der Kleinschreibung, gegründet. „Die Kleinschreibung beeinträchtigt die Lesbarkeit?“ — „Und bei den anderen Sprachen tut sie es nicht? Einen lateinischen, französischen oder englischen Text lesen und erfassen wir ohne weiteres, nur bei einem deutschen wäre sie ein Hindernis für das Verständnis? Und warum verstehen wir einander, wenn ir sprechen, obwohl wi- die Hauptwörter auf keinerlei Weise besonders hervorheben wie in der Schrift, sondern nur sinngemäß betonen?“ Der wahre Grund für die Beibehaltung der .Großschreibung, so wird argumentiert, ist einzig und allein die Macht der Gewohnheit. Man weiß: einzelne haben mit ihr gebrochen, so Klopstock, Jakob Grimm und seine Schule, in neuerer Zeit — mehr aus ästhetischen Gründen — der Stefan-George-Kreis. Auch auf Prospekten und Plakaten, Aufrufen und Anzeigen beginnt sich die Kleinschreibung durchzusetzen. Ihre Fürsprecher sind optimistisch:

„Möge derzeit die Einstellung Zur kleinschreibung positiv oder negativ sein, sie wird früher oder später auf jeden fall kommen. Sie ist nicht mehr zu verhindern; dafür bürgen einerseits die vielen persönlichkeiten aller ideologischen rieh-tungen, die unsere bestrebungen begrüßen und dafür eintreten. Auch amtlich wird in Deutschland und Oesterreich, in der Schweiz und im Saarland die frage der kleinschreibung bereits erörtert.™

Dies zur Probe für das neue Schriftbild. „Immer sind es Gefühlsgründe, die für das Altgewohnte, und Verstandesgründe, die für das Neue sprechen“, schreibt Hofrat Doktor Franz Wollmann — in alter Orthographie — zu dem Thema. In der Tat: auf diese Alternative läuft es hinaus. Die neue Zeit scheint den letzteren den Vorrang zu geben!

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