6666537-1960_37_01.jpg
Digital In Arbeit

Unsere „5. Kolonne“

Werbung
Werbung
Werbung

In den ersten Jahren nach 1945 hat die „Furche“ als erste begonnen, auf eine ungenützte Reserve unsere Öffentlichkeit aufmerksam zu machen: auf die Auslahdsöster-reicher. Österreich könnte, wenn es seine Beziehungen zu diesen sorgfältig pflegen und dafür die notwendige Resonanz finden würde, über eine Fünfte Kolonne des Friedens verfügen; eine überaus stattliche Zahl prominenter Wissenschaftler, Professoren, Fachleute, teilweise von Weltrang und Weltruf, sind aus dem alten Vaterland hinausgegangen und teilweise hinaus-getrieben worden oder haben zumindest un-bedankt und unbeachtet die Heimat vor Jahren und Jahrzehnten verlassen. Es durfte deshalb nicht allzusehr verwundern, wenn . gerade in diesen Kreisen zunächst oft skeptisch und ohne innere Anteilnahme der Appell vernommen wurde: Österreicher im Ausland, vergeßt die alte Heimat nicht! Vergeßt im neuen Vaterland das alte Mutterland nicht! Alte Wunden heilen schwer, alte Narben sind noch sichtbar. Nur ein kleiner, ja winziger Teil dieser Auslandsösterreicher ist in die Heimat zurückgekehrt, ist etwa einer Berufung gefolgt. Anders und glücklicher ist unser Appell bei anderen Schichten von Auslandsösterreichern und in den letzten Jahren auch im Inland aufgenommen worden. Ja, es sind nicht zuletzt „kleine Leute“, die in ihrem „kleinen“ Mutterland immer auch noch ihr erstes Vaterland sehen, und deren Sprecher eben jetzt in Eisenstadt bei dem Auslandsösterreichertreffen die Forderung nach der Doppelstaatsbürgerschaft erhoben: die österreichische Staatsbürgerschaft soll als ein unverlierbares Gut erhalten bleiben, auch nach Erlangung der aus beruflichen Existenzgründen notwendigen neuen Staatsbürgerschaft. Es hat guten Sinn, daß das diesjährige Treffen in Eisenstadt stattfand. Das Burgenland stellt das größte Kontingent der Auslandsösterreicher. Die größte burgen-ländische Stadt ist gegenwärtig Chikago mit seinen 30.000 Burgenländern. Das neunte österreichische Bundesland hat den stärksten Anteil am „zehnten Bundesland“, wie man auf diesem Trefferl des Weltbundes der Österreicher im Ausland und des Auslandsösterreicherwerkes in Eisenstadt die Gesamtheit, den Lebenskörper der Österreicher im Ausland, genannt hat, als „eine Kolonie, die nie abfallen werde“.

Es hatte guten, glücklichen Sinn für die Bedeutung dieses „zehnten Bundeslandes“, die man endlich hier erkennt, daß der Außenminister, Vertreter anderer Ministerien, der Heeresminister und der Präsident der Industriellenvereinigung diesem Treffen als Sprecher, Gastgeber und Teilnehmer beiwohnten. Österreichs Volkskraft, Wirtschaft, politische Geltung und nicht zuletzt kulturelle Strahlung in der Welt bedürfen der Hilfe durch die Auslandsösterreicher. Der Hinweis des Außenministers auf Österreichs schwieriges Unternehmen, Südtirol vor der UNO zu vertreten, hatte auf dieser Tagung diesen offenkundigen Hintersinn: Italiens Auslandsitaliener bilden eine Weltmacht, nicht zuletzt in den USA... — Unsere Auslandsösterreicher bedürfen, um ihrer und um Österreichs Selbsterhaltung willen, intensiver, durchdachter Kontakte, Verbindungen und Unterstützungen in Österreich selbst. Hier ist noch sehr viel zu tun. Das Abbröckeln, die Aufsaugung der Auslandsösterreicher in den neuen Räumen bedeuten einen unersetzbaren Verlust für unsere Präsenz in der Welt. Die Pflege der Kontakte und Beziehungen zu unseren Auslandsösterreichern ist deshalb auch ein Politikum ersten Ranges, das den Staat, die Regierung, das ganze Volk angeht-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung