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370.000 Österreicher leben im Ausland und blieben doch zu Hause

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In der Auseinandersetzung um das Recht auf Briefwahl, ein in vielen demokratischen Ländern selbstverständlicher Bestandteil der Wahlordnung, scheint nun eine erste entscheidende „Runde“ an die Auslandsösterreicher zu gehen: Auf der 25. Jahrestagung des Auslandsösterreicherwerkes in Feldkirch, zu der über 500 Mitglieder verschiedener Österreich-Vereinigungen aus fast allen Ländern der Erde erschienen waren, traf termingerecht das heiß ersehnte Jubiläumsgeschenk ein. Wenn die politischen Zusagen halten, steht einer baldigen Beschlußfassung des Briefwahlrechtes für vorübergehend im Ausland weilende Österreicher durch alle drei Parlamentsfraktionen nicht mehr viel im Wege.

Rechtsanwalt Karl Demblin (Stuttgart), der Generellkonsul Carl Werner (Lugano) als Präsident des „Weltbundes der Österreicher im Ausland“ nachfolgte, wertet die Briefwahl-Zusage als einen erfreulichen Anfangserfolg. Das vorläufige Modell, mit dem Briefwahl-Freunde für weitergehende Forderungen den Fuß in der Tür zu haben glauben, sieht so aus: Jene Österreicher, die sich nur vorübergehend im Ausland aufhalten und noch in den Wählerevidenzen ihrer Heimatgemeinde aufscheinen, dürfen bei der jeweiligen Vertretungsbehörde im Ausland mittels Wahlkarte Österreichs Mehrheitsverhältnisse mitbestimmen.

Ein entsprechender Initiativantrag soll von den drei Parteien demnächst eingebracht werden. Geht alles glatt, können bereits nächstes Jahr Diplomaten und deren Angehörige, UN-Soldaten sowie alle gerade außer Landes befindlichen Touristen, Wirtschafttreibende oder Künstler die Wahlurne an der Botschaft aufsuchen. Freilich wird sich diese Möglichkeit den Österreichern nur in jenen Staaten bieten, deren Gesetze dies zulassen. Einer jener Staaten, die eine Wahlausübung in dieser Form nicht zulassen, ist beispielsweise die Schweiz. Das B riefwahlrecht für sämtliche Auslandsösterreicher bleibt nun ein nicht mehr so utopisch erscheinendes Fernziel

Das Treffen der Auslandsösterreicher ging auf Einladung des Auslandsösterreicherwerkes (das ist die österreichische Koordinationsstelle für den Weltbund der Österreicher im Ausland) und dessen Präsidenten Fritz P. Molden über die Bühne. Das Interesse des „offiziellen Österreich“ am Kontakt mit den fern der Heimat lebenden Österreichern dokumentierte auch das Erscheinen von Bundespräsident Rudolf Kirchschläger und Außenminister Willibald Pahr, die sich der Rolle, der Leistung und auch der Macht der Auslandsösterreicher bewußt sind.

Als Auslandsösterreicher werden in der Regel Personen bezeichnet, „die in ihrem Gastland zehn Prozent mehr können und zwanzig Prozent mehr leisten müssen“ (Heinz Bilz, Bürgermeister von Feldkirch); Landsleute, die durch Pflege des österreichischen Wesens, der österreichischen Kultur, auch der österreichischen Geschichte „fürwahr Arbeit für Österreich leisten“ (Landeshauptmann Herbert Kessler). Wie kam es eigentlich, daß sich die im Ausland lebenden Landsleute allmählich ihrer besonderen Rolle bewußt wurden, sich nach und nach organisierten?

Einen ersten Schritt tat die Schweiz: Dort wurde am 30. Mai 1944 das „Schweizerische Hilfskomitee für ehemalige Österreicher“ ins Leben gerufen. Dieses Hilfskomitee wird heute als erster Vorläufer des Weltbundes bezeichnet. Die unmittelbare Initiative zu dessen Gründung ging später von der am 5. März 1950 errichteten „Vereinigung der Österreicher in der Schweiz und Liechtenstein“ aus.

Das gegen Ende der Kriegsjahre gebildete Hilfskomitee wurde von einem Schweizer präsidiert. Mit einem Etat von 100.000 Franken konnten damals insbesondere Flüchtlinge unterstützt werden. Zu den Aufgaben des Hilfskomitees gehörten ferner ungezählte Interventionen bei Behörden und Organisationen. Das Hilfskomitee war aber auch berechtigt, für emigrierte Österreicher Legitimationen auszustellen, die amtlich anerkannt wurden.

In der ganzen Welt werden heute etwa 180 Österreicher-Vereinigungen gezählt. Die Zahl der Österreicher im Ausland wird mit rund 370.000 Paßösterreichern und etwa 600.000 „Herzensösterreichern“ - das sind ehemalige österreichische Staatsbürger - angegeben. In der Bundesrepublik Deutschland leben 177.000 österreichische Staatsbürger, in der Schweiz 42.597 und in Brasilien 38.868. Aus den USA werden hingegen nur 17.568 österreichische Staatsbürger gemeldet, 190.290 sind dort hingegen ehemalige Österreicher. Diese Zahlen stehen deshalb völlig außer Verhältnis, weil sich in den USA ein Ausländer relativ rasch für die dortige Staatsangehörigkeit entscheiden muß, will er sich dort länger aufhalten. Ähnlich verhält es sich auch in Kanada. Südafrika, Australien und Kanada sind Länder, in denen jeweils mehr als 10.000 Staatsbürger leben. Die Zahl der ehemaligen Österreicher in diesen Staaten beträgt jedoch ein Vielfaches, ist zumeist aber nicht schätzbar.

Heute haben der Weltbund und das aus ihm hervorgegangene Auslandsösterreicherwerk eine breite Palette von Aufgaben zu erfüllen:

• In Kärnten werden für heimkehrende Auslandsösterreicher Wohnungen für Notfälle bereitgehalten.

• Stipendien für die Auslandsösterreicher-Jugend werden besorgt und Babypakete für Kinder von Auslandsösterreichern verteilt.

• Filme und andere Werbungen über Österreich werden gezeigt, und ein Kurzwellendienst, der jedoch in Europa noch nicht empfangen werden kann, wurde eingerichtet.

• Das Auslandsösterreicher-Magazin „Rot-Weiß-Rot“ wird gratis an die Auslandsösterreicher versandt; ein Platten- und Tonbanddienst ist vorhanden.

• Ein Staatsbürgerschaftsbuch wird an volljährige Auslandsösterreicher verteilt

• Bibliotheken mit österreichischer Literatur wurden eingerichtet, laufend finden Vorträge statt.

• Ein Medikamentendienst nach Ländern, in denen es keine modernen Medikamente gibt, wurde schon mehrmals beansprucht.

• Ein Rechtshilfedienst und eine Stellenvermittlung wurden eingerichtet.

• Finanzielle und soziale Hilfe in Notfällen.

Als eine der Hilfsaktionen für im Ausland lebende Österreicher nannte Außenminister Pahr besonders den „Fond zur Unterstützung von Österreichern im Ausland“. Dieser Hilfsfond besteht seit nunmehr zehn Jahren. Unterstützungen werden daraus an hilflose und notleidende Österreicher gewährt Der Etat betrug im letzten Jahr 4,3 Millionen Schilling, in 45 Ländern wurden rund 1000 Landsleute unterstützt. Heuer wurde der Betrag auf 5,5 Millionen Schilling erhöht. Wie der Außenminister ankündigte, wird der Hilfsfonds im nächsten Jahr eine weitere Steigerung erfahren. Die Aufbringung der Mittel erfolgt je zur Hälfte durch den Bund und die Bundesländer.

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