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Wahlrecht für das zehnte Bundesland?

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Schweden machte in der vergangenen Woche die Erfahrung, daß die Stimmen der im Ausland lebenden Staatsbürger sogar eine Parlamentswahl entscheiden können. Natürlich nur dann, wenn es darum geht, welcher von zwei Parteien oder Parteigruppierungen eine hauchdünne Mehrheit zufällt.

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Schweden machte in der vergangenen Woche die Erfahrung, daß die Stimmen der im Ausland lebenden Staatsbürger sogar eine Parlamentswahl entscheiden können. Natürlich nur dann, wenn es darum geht, welcher von zwei Parteien oder Parteigruppierungen eine hauchdünne Mehrheit zufällt.

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Genau darum aber ging es in Schweden. Am Morgen nach der Wahl schien es, als hätten die Sozialdemokraten gemeinsam mit den Kommunisten das entscheidende 175. Mandat errungen. Zwei Tage später, nach der Auszählung der 50.000 von schwedischen Wählern im Ausland abgegebenen Stimmen, wanderte es - nach einem mehrmaligen Hin und Her schon in der Wahlnacht - endgültig zum Block der bürgerlichen Parteien zurück.

In Österreich wäre so etwas nicht möglich. Im Ausland lebende Österreicher haben kein Wahlrecht. Nicht einmal, wenn sie bereit sind, auf eigene Kosten am Wahltag nach Österreich zu reisen. Denn zur Eintragung in das Wählerverzeichnis ist der Nachweis eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland nötig.

Doch das zehnte Bundesland (so nennt man die Auslandsösterreicher schon seit langem) pocht auf seine Rechte. Und da viele andere Probleme dieser Gruppe von Staatsbürgern in den letzten Jahren gelöst werden konnten, pocht das zehnte Bundesland vor allem auf sein Wahlrecht.

Freilich mit unterschiedlicher Intensität. Sie nimmt offenbar mit dem Quadrat der Entfernung ab. Österreicher, die in der Bundesrepublik Deutschland oder in der Schweiz leben, beantworten die Frage, ob sie Wert auf ihr Wahlrecht als Österreicher legen, fast immer mit einem deutlichen Kopfnicken. Uberseeösterreicher zeigen sich wesentlich häufiger desinteressiert, motivieren dies mit ihrer Uninformiertheit über die österreichische Innenpolitik und wiederholen auch gern das oft gehörte, aber auch oft widerlegte Argument, daß sie ja in Österreich keine Steuern zahlen.

Gelegenheit zu solchen Gesprächen ergab sich beim jährlichen Treffen der Auslandsösterreicher, däs heuer in Linz stattfand. Eine Gruppe von Teilnehmern reiste aus Wien an, wo sie zuvor am zweitägigen Aus- landsösterreicher-Semiiiar teilgenommen hatten. Dieses Seminar (es wurde im Vorjahr zum ersten Mal abgehalten) ist eine Neueinführung des Verlegers Fritz P. Molden, der seit vier Jahren als Präsident des Auslandsösterreicherwerkes amtiert und wegen seines Engagements für die Auslandsösterreicher gern als „Landeshauptmann des zehnten Bundeslandes” bezeichnet wird.

Das Seminar dient der Information von Auslandsösterreichem, vor allem von solchen, die sich in Österreicher-Vereinen betätigen, über Fragen, die für Auslandsösterreicher wichtig sind. Vom Sozialversicherungswesen über Staatsbürgerrecht und Rückwandererprobleme bis zu Unterstützungsmöglichkeiten im Notfall.

Viele Probleme konnten gelöst oder entschärft werden. Der Transfer im Ausland erworbener Vermögenswerte und der Grundstück- oder Hauskauf in Österreich wurde erleichtert. Rückwanderern, die in Wien arbeiten wollen, verschafft der Wiener Zuwandererfonds Arbeitsplätze und Startwohnungen (oft innerhalb von Stunden!). Mit Ausländern verheiratete Österreicherinnen brauchen nicht mehr zu fürchten, daß sie durch die automatische Annahme einer fremden Staatsbürgerschaft die österreichische verlieren.

Bei den oft recht komplizierten Fragen im Zusammenhang mit früher erworbenen Sozialversicherungsrechten leistet das Auslands- österreicherwerk Vermittlungsdienste, das überhaupt die wichtigste Anlaufstelle für Österreicher im Ausland darstellt (es residiert im Hochhaus, 1010 Wien, Herrengasse 6-8, Stiege 2).

Bleibt die Problematik des Wahlrechtes zu lösen. Nachdem die Großparteien diese Frage lange vor sich herschoben, tendiert heute die SPÖ mehr zur Wahlkarte (Ausübung des Wahlrechtes in diplomatischen Vertretungen und Berufskonsulaten Österreichs), die ÖVP zum Briefwahlrecht, wie es etwa in der Bundesrepublik Deutschland gehand- habt wird.

Nachteü der Briefwahl: Söhne, Neffen usw., die älteren Personen beim Ausfüllen der Papiere helfen, könnten etwa eine Partei ihrer eigenen Wahl eintragen. Vorteil der Briefwahl: Sie ließe sich ohne weiteres so organisieren, daß die Stimmen der Auslandsösterreicher bis zum Wahltag in der Heimat einlangen und in der Wahlnacht ausgezählt werden. Nachteil der Wahlkarten: Die großen Entfernungen, die viele Auslandsösterreicher zurückzulegen hätten, um eine Vertretung Österreichs zu erreichen.

Das Wahlrecht für Paßösterreicher könnte sicher helfen, die psychologische Verbindung mit der Heimat zu stärken. Die 183 Österreicher-Vereine in aller Welt, deren Existenz hierzulande bislang bekannt wurde (Präsident Molden stellte das erste Verzeichnis dieser Vereinigungen vor), haben insgesamt etwa 5000 Mitglieder. Vor allem die Ubersee-Ver- eine beklagen Überalterung und Des interesse der Jugend. Sie zerbrechen sich den Kopf über Möglichkeiten, den Kindern und Kindeskindern der Auswanderer so etwas wie ein Österreichbewußtsein zu erhalten.

Die Zahl der Österreicher im Ausland (es sind noch rund 364.000) ist rückläufig. Grund sind die wirtschaftlichen Probleme einst attraktiver Länder und die verbesserten Zukunftschancen in der Heimat. In der Bundesrepublik Deutschland sank die Zahl der Österreicher seit 1972 von 170.000 auf 140.000, in der Schweiz von 44.000 auf 39.000, in Bra- süien leben rund 39.000, in den USA und in Südafrika je 15.000, in Kanada 14.000, in Australien 10.000, in der DDR 8000 Paßösterreicher(innen).

Unberücksichtigt ist dabei jene mächtige, . aber dahinschmelzende Gruppe von Menschen, die entweder keinen österreichischen Paß mehr haben oder nie einen hatten (viele Burgenländer verließen die Heimat zum Beispiel vor 1921 mit ungarischen Pässen), die aber oft rot-weißroter denken als mancher, der daheimblieb.

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