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Ein erster Schritt? Ein letzter Schritt?

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Ob bereits bei den Nationalratswahlen 1979 im Ausland lebende österreichische Staatsbürger mittels Wahlkarte an der politischen Willensbildung in ihrer Heimat teilhaben können, ist noch ungewiß. Gewiß ist vorerst nur, daß die drei im Parlament vertretenen Fraktionen in mehr oder minder verbindlicher Form zugesagt haben, nun nach 25 Jahren einem der ältesten Wünsche der Auslandsösterreicher zumindest teilweise zu entsprechen: Sofern sie noch in Österreich einen ordentlichen Wohnsitz haben und vor allem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, dürfen sie mit einer Wahlkarte bei der jeweiligen österreichischen Vertretungsbehörde ihre Stimme abgeben.

Ein erster Schritt?

Gewiß, denn, obwohl die Möglichkeit der Wahlkarten-Wahl in Österreich bereits seit einigen Jahren existiert, durften bisher Wahlkarten nur innerhalb des Landes vor einer Wahlkommission abgegeben werden. Der Personenkreis, der von der sich abzeichnenden neuen Lösung betroffen sein dürfte, wird von Fritz Molden, dem Präsidenten des Auslandsösterreicherwerkes auf 50.000 oder 60.000 geschätzt. Es handelt sich dabei nicht nur um im Ausland Dienst versehende Diplomaten, Handelsdelegierte und UNO-Solda- ten, sondern auch um Geschäftsreisende, überhaupt um Reisende sowie eben um jene im Ausland ständig lebenden Paß-Österreicher, die irgendwo in ihrer Heimat noch einen ordentlichen Wohnsitz haben, wodurch sie ja erst in die Wählerevidenz kommen.

Gesandter Harald Klein (Weltbund der Österreicher im Ausland) und Gerd Rittenauer (Auslandsösterreicherwerk) streben freilich eine über diesen ersten Schritt hinausgehende Lösung an, wenngleich sie sich der eher ablehnenden Realität voll bewußt sind: Sie wünschen sich, daß auch Österreicher, die keinen Wohnsitz in Österreich mehr haben, zumal der Wohnsitz oft nur eine Formalsache ist, grundsätzlich an einer Wahl teilnehmen können, gestehen aber zu, daß es nicht leicht sein wird, den Kreis der in Frage kommenden Personen genügend abzugrenzen.

Was spricht gegen ein Wahlrecht aller Auslandsösterreicher? Auf eine konkrete Anfrage in der AZ brachte Bruno Kreisky am 2. Mai folgende plausibel klingenden Gründe vor: Auslandsösterreicher sind von den Gesetzen, die im Parlament beschlossen werden, äußerst selten betroffen; Steuern und Abgaben werden nur von jenen Personen geleistet, die in Österreich wohnen.

Sicherlich ist dem etwa entgegenzuhalten, daß jeder Staatsbürger der Wehrpflicht unterliegt; ferner, daß ja etwa in Wien wohnende Grazer, sofern sie in Graz einen Wohnsitz haben, dort auch den Gemeinderat mitbestimmen dürfen. Kriterien für eine Einstufung der potentiellen Wähler wären etwa das Vorhandensein einer „geistigen Nabelschnur" zu österreiche sowie der von Österreich bezogene Informationsfluß.

Wird also der erste Schritt gleichzeitig zum letzten?

Durchaus möglich. Denn wollte man das Wahlrecht in größerem Umfang über das angestrebte System ausweiten, müßte man neben der Wahlkarte auch die Briefwahl zulassen. Das aber wollen die Sozialisten unter keinen Umständen, sie bezeichnen die Briefwahl als verfassungswidrig, ihrer Meinung nach wäre die persönliche und geheime Wahl durch ein Briefsystem nicht mehr gewährleistet. Hinter diesem Sachargument dürfte aber die Überlegung stehen, daß die Briefwahl- einmal zugelassen-auch den in Österreich lebenden Alten und Kranken nicht vorenthalten werden könnte, was den Sozialisten nach allgemeiner Vermutung Stimmenverluste brächte.

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