Das falsche Werk am falschen Ort

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Musikalisch bieten die Salzburger Festspiele mit Georg Friedrich Händels Oratorium „Theodora“ eine qualitativ hochwertige, höchst beeindruckende Produktion. Der Countertenor Bejun Mehta stattet als liebender Soldat Didymus seine Arien mit feinsten Lyrismen, größtem Differenzierungsvermögen, makellosen Verzierungen und einer bewegenden Natürlichkeit der Tongebung aus und Christine Schäfer bringt sensibel und klar, verinnerlicht und souverän die Leiden der bedrängten Theodora zum Ausdruck. Auch das Freiburger Barockorchester setzt präzise versiert und klanglich ausgewogen unter dem um Facettenreichtum und den Fluss der Musik erfolgreich bemühten Ivor Bolton die Partitur um. Doch trotz alledem kann die Aufführung des 1750 erstaufgeführten, zweitletzten Händel-Oratoriums nicht verdecken, dass es sich heuer in Salzburg um das falsche Werk am falschen Ort handelt. In den Weiten des großen Salzburger Festspielhauses verlieren sich in musikalischer Hinsicht zu viele Details – die Raumakustik nivelliert sowohl die Facetten im Vortrag der exzellenten Hauptakteure – zu denen auch die souveräne, gerade durch die introvertierte Schlichtheit ihrer Vorträge beeindruckende Bernarda Fink in der Rolle der um Theodora besorgten Irene zu zählen ist – als auch im Orchesterklang.

Ein lyrisch-düsteres Werk

Zum anderen gelingt es dieser Produktion nicht, einen plausiblem Grund zu liefern, warum man dieses Oratorium, ein im Ganzen lyrisch-düsteres Werk mit einer großen Zahl rein kontemplativer Arien, szenisch präsentieren sollte: Äußerliche Aktionen gibt es in dieser Geschichte um die weltentsagende Christin Theodora, die aus Strafe für ihre Nichtteilnahme an römischen Opferfesten im örtlichen Bordell vergewaltigt werden soll, kaum. Weder die Momente, in denen Theodora vom Offizier Didymus aus Liebe befreit wird, noch jene, in denen sie gemeinsam mit ihrem Befreier freiwillig in den Tod geht, bieten szenische Anlässe für eine Inszenierung – und auf eine entsprechende Realisation hat Regisseur Christoph Loy auch weitestgehend verzichtet, sieht man von einer lächerlichen Miniorgie des sängerisch fabelhaften Salzburger Bachchors (Leitung: Alois Glaßner) ab. Vor der Einheitsdekoration eines überdimensionalen Orgelprospekts (Bühne: Annette Kurz) laufen große Teile quasi konzertant ab; den Sängern und Sängerinnen in zeitlosem Konzertzivil bleibt nicht mehr als ihr mehr oder weniger vorhandenes Charisma, um den Figuren Profil zu verleihen.

Aufführung in einem viel zu großen Saal

Jegliche Form von Theaterzauber versagt sich diese immer wieder in szenische Unverbindlichkeit verfallende, mehr als vierstündige, auch noch durch den Einschub eines Händelschen Orgelkonzerts künstlich verlängerte Produktion. Doch warum dann eigentlich eine szenische Aufführung dieses Oratoriums in einem für diese Musik und diese Ausführenden (ferner singen künstlerisch nicht ganz an ihre Mitstreiter heranreichend Johannes Martin Kränzle den Statthalter Valens und Joseph Kaiser den Offizier Septimus) viel zu großen Saal? Die Salzburger Aufführung gibt darauf keine Antwort.

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