Islam - das große Thema

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Die hochkarätige Islamkonferenz in Wien zeigt einmal mehr, wie brisant der Gesprächsbedarf zwischen islamischer und nichtislamischer Welt ist.

Nein, die Unruhen in den französischen Satellitenstädten haben nichts mit dem Islam zu tun, und es handelt sich auch nicht um eine "Intifada" an der West Bank von Paris, wie etwa das Boulevardblatt New York Post geschrieben hat: Auf der Islamkonferenz in Wien bestritt der französische Islamexperte Gilles Keppel vehement, dass die französischen Vorgänge mit "dem Islam" zu korrelieren sind: Nicht die Religion, sondern die soziale Migration sei Ursache. Und dazu gehört zweifelsohne auch die unaufgearbeitete Kolonialgeschichte Frankreichs (vgl. Seite 2 dieser Furche).

"Islam in einer pluralistischen Welt" so lautete das Thema der Konferenz, in der die große Welt wieder einmal in Wien ihre Probe hielt. Schon am ersten Tag dieser mit Polit- und Kirchenprominenz besetzten Tagung war klar, dass es gut ist, wenn (islamische) Staatsoberhäupter, Wissenschafter und Theologen einander begegnen. Klar wurde aber auch - etwa durch den Redebeitrag des iranischen Ex-Präsidenten Mohammed Khatami - dass in der Substanz hierbei nicht die Staatsmänner das große Wort führen.

Herausragend Gilles Keppel auch in der Analyse des geschichtlich Zeichenhaften: Mit "11/9" (gemeint: der 9. November 1989), dem Fall der Grenze zwischen Ost und West, sei das 20. Jahrhundert zu Ende gegangen; mit "9/11" (dem 11. September 2001) habe das 21. Jahrhundert begonnen, als sich zeigte, dass es - auch für den Terrorismus - keine Grenzen mehr gibt. Die Welt, so Keppels Diagnose, bietet sich heute pluralistisch, dezentralisiert, entterritorialisiert, globalisiert dar: Wer kann in solcher Welt für die Religion sprechen? Im Fall des Islam, der traditionell keine zentralen Autoritäten zur Interpretation des Glaubens kennt, ganz eindeutig eine lebenswichtige Frage. Der Islam hat im Westen mehr als eine schlechte Presse und wird - latent bis offen - als unaufgeklärt und gewalttätig schubladisiert.

Unbestritten ist, dass eine Anzahl islamischer Staaten und muslimischer Gesellschaften solcher Schubladisierung Vorschub leistet: Beeindruckend mutig war auf der Wiener Islamkonferenz die schonungslose Darstellung diesbezüglicher Lage durch Shirin Ebadi, die iranische Friedensnobelpreisträgerin. Ebadi berichtete, dass im Iran vor kurzem alle Literatur - auch alle Webseiten! -, die "Säkularismus, Nihilismus und Feminismus" propagiert, verboten wurde. Das bedeutet etwa, das alles zum Thema Frauenrechte im Iran nun "illegal" ist. Ebadi bestritt dennoch vehement, dass solche Vorgangsweise mit dem Islam zu rechtfertigen wäre und nannte Beispiele islamischer Länder (Indonesien...), in denen Toleranz gelebt werde. Andere Regimes würden sich aber "hinter dem Islam verstecken", um ihre "Tyrannei" zu rechtfertigen. Die Friedensnobelpreisträgerin will daher eine "Front der progressiven Muslime" bilden, um "die Heiligkeit des Islam zu retten". Man mag sich nicht ausmalen, wie gefährlich solch mutige Analyse der Zustände im eigenen Land für Ebadi ist. Jedenfalls ist dieser Mut eine Aufforderung für alle der Demokratie Verpflichteten im Westen, die Stimme zu erheben.

Für Toleranz wirbt gleichfalls die Schriftstellerin Barbara Frischmuth (Seite 13 dieser Furche) - und das ist kein gut gemeinter Ratschlag, sondern ein auch für Österreichs Gesellschaft unbequemer Auftrag: Frischmuth schlägt vor, bei der Sprache zu beginnen und die Muslime, wie es sprachlich korrekt heißt, nicht als "Moslems" zu bezeichnen. Auch an solch "Kleinigkeiten" ist zu arbeiten, wie man ebenfalls auf der Wiener Islamkonferenz sehen konnte: Dort sprach Österreichs Außenministerin ausschließlich von "Moslems"...

Ursula Plassnik, die große Widerständlerin gegen Türkei-Beitrittsverhandlungen der eu, wird wahrscheinlich auch über den Diskussionsbeitrag von Gilles Keppel auf der Islamkonferenz nur bedingt amused gewesen sein: Denn der Islamexperte konstatierte, dass das Trauma von 1683 noch immer präsent sei. Er rief dazu auf, diesen "1683er-Komplex" zu überwinden. Auch wenn er Österreich nicht beim Namen nannte, war klar, wer hier gemeint war. Und wer sich umhört, weiß, dass die heimische Türkei-Renitenz im Ausland oft genau auf diesen Komplex zurückgeführt wird. Vielleicht wäre der Dialog-Event mit dem Islam, durch den Wien dieser Tage ins Weltinteresse gerückt ist, ja der richtige Anstoß, um das nationale Trauma von 1683 endlich aufzuarbeiten.

otto.friedrich@furche.at

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