Erinnerung_Buch - © Valentin Salja / Unsplash

Kulturelles Gedächtnis, humane Gesellschaft

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Am 14. Oktober wird das Kulturwissenschaftler-Ehepaar Aleida und Jan Assmann in der Frankfurter Paulskirche gemeinsam mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Seit Jahrzehnten inspirieren und ergänzen die beiden einander wechselseitig.

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Am 14. Oktober wird das Kulturwissenschaftler-Ehepaar Aleida und Jan Assmann in der Frankfurter Paulskirche gemeinsam mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Seit Jahrzehnten inspirieren und ergänzen die beiden einander wechselseitig.

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"Erinnerungen existieren nicht als geschlossene Systeme", sie sind mit anderen Erinnerungen und "Impulsen des Vergessens" vernetzt, schreibt Aleida Assmann in ihrem Buch "Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik", in dem sie sich mit der "Dynamik individueller und kollektiver Erinnerung 'im Schatten' einer traumatischen Vergangenheit" beschäftigt. Zum kulturellen Feld "gehören sowohl materiale Repräsentationen in Gestalt von Texten, Bildern und Denkmälern als auch symbolische Praktiken in Gestalt von Festen und Riten". Das kulturelle Gedächtnis ermöglicht Menschen Erfahrungen, die sie nicht selbst gemacht haben, prägt und festigt aber auch Erfahrungen und die Art und Weise, wie man sich erinnert. Die Spannung zwischen persönlicher Erinnerung und kollektivem Gedächtnis, also auch offizieller Gedenkkultur ist ebenso Thema in Assmanns lesenswerten Büchern wie jenes des Kanons.

Kanonische Texte, also Texte, die eine Kultur oder Gruppe für besonders wertvoll hält und entsprechend überliefert, normieren (sie schreiben Richtlinien des Handelns vor: Verhalten, Brauch, Sitte, Recht) und sie formatieren: Sie fundieren "das Selbstbild einer Gruppe, durch Erzählungen über Vorzeit und Geschichte, Mythen, Sagen, Legenden, die die Ordnung der Welt narrativ entfalten und die Stellung des Menschen in ihr beleuchten", schreiben Aleida und Jan Assmann zu diesem sie verbindenden Thema in einem gemeinsamen Beitrag. Der Kanon ist einerseits eine Strategie, als wichtig Erachtetes zu bewahren, auf der anderen Seite immer auch ein Mittel, auszusortieren, zu zensurieren, vergessen zu machen. Kanon bedeutet Auswahl, aber auch Deutung: "Professionelle" Ausleger treten zwischen Text und Leser, sie schreiben den Texten die "gültigen" Bedeutungen zu. Schrift wird zusammen mit dieser Auslegungskultur zum "Medium des kulturellen Gedächtnisses".

Aktuell und notwendig

Die 1947 geborene Anglistin und Ägyptologin Aleida Assmann, Mutter von fünf Kindern, wurde 1993 auf den Lehrstuhl für Anglistik und Allgemeine Literaturwissenschaft der Universität Konstanz berufen und widmete ihre Forschungen vor allem den Themen kulturelles Gedächtnis, Erinnerung und Vergessen, wie man auch den Titeln ihrer Bücher entnehmen kann: "Arbeit am nationalen Gedächtnis"(1993),"Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses"(1999),"Geschichte im Gedächtnis. Von der individuellen Erfahrung zur öffentlichen Inszenierung"(2007),"Ist die Zeit aus den Fugen?" (2013),"Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur. Eine Intervention"(2013), um nur einige zu nennen.

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