Denkmäler stürzen? Lasst sie stehen!

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Weltweit machen sich Menschen über Statuen und Denkmäler her. Der neue Bildersturm ist verständlich, aber kontraproduktiv. Ein Gastkommentar von Georg Schildhammer.

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Weltweit machen sich Menschen über Statuen und Denkmäler her. Der neue Bildersturm ist verständlich, aber kontraproduktiv. Ein Gastkommentar von Georg Schildhammer.

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Sowohl Linke als auch Rechte haben ihre historischen Feinde. Beide möchten sie die Erinnerung an ihre Gegner am liebsten aus dem kollektiven Gedächtnis der Menschheit tilgen. Nicht zuletzt auch deshalb, um die Schmerzen, welche die Abbilder bei Angehörigen ehemals oder vielleicht noch immer betroffener Gruppen auslösen könnten, zu beseitigen. Dazu ist ihnen jedes Mittel recht, etwa die Entfernung von Denkmälern und Statuen aus der Öffentlichkeit. Dabei warten sie nicht erst auf eine demokratisch legitimierte Entscheidung und die ihr folgende gesetzeskonforme Demontage, sondern legen gleich selbst Hand an. Doch damit konterkarieren sie ihre guten Absichten. Denn Gewalt – und auch gesetzlose Selbstermächtigung gehört in einer Demokratie dazu – ist genau das, was sie an jenen Menschen kritisieren, deren Bildnisse sie entfernen wollen.

Die „Black Lives Matter“-Bewegung, die in den USA ihren Anfang genommen hat, löste eine Entwicklung aus, deren Ende noch nicht absehbar ist und deren übergeordnete Ziele niemand kennt, wahrscheinlich nicht einmal ihre Protagonisten selbst. Denn was kommt nach dem Sturz der Statuen? Wohin genau soll es führen, die Bild gewordenen Zeugnisse vergangener Untaten des Menschen von ihren Sockeln zu stoßen? Wird die Welt durch das Umwerfen von Denkmälern eine bessere, wird die Menschheit dadurch ein für alle Mal von Vorurteilen, Hass und Gewalt befreit? Reicht es aus, all jene, deren Erbe aus heutiger Sicht zumindest umstritten ist, zum Verschwinden zu bringen, um gleichsam umzublättern im großen Notizbuch der Geschichte – und auf einer noch unbeschriebenen Seite die Erzählung vom Menschen von Neuem zu beginnen?

Was muss weg?

Dass es in Österreich keine öffentlichen Standbilder von Adolf Hitler gibt, ist gut. Doch von Josef Stalin existiert zumindest eine Gedenktafel, die 1949 von der Kommunistischen Partei an einer Hausfassade im zwölften Wiener Bezirk angebracht worden ist – zum 70. Geburtstag des kommunistischen Diktators, der hier im Jahr 1913 kurz zu Gast gewesen sein soll (vgl. dazu das Interview mit Philipp Blom). Stalin ist ein gutes Beispiel dafür, wie schwierig der Umgang mit der Vergangenheit und ihren „Persönlichkeiten“ ist. Einerseits war er einer der Führer jener Alliierten zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs, deren Einsatz es zu verdanken ist, dass Europa von der Herrschaft der Nazis befreit wurde. Andererseits war Stalin bekanntermaßen ein Diktator und Massenmörder, der gerade deshalb kein Denkmal verdienen sollte.

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