7126419-1997_06_18.jpg
Digital In Arbeit

Künstler sind verrückt— oder?

19451960198020002020

Bilder psychisch kranker Künstler aus Gugging hängen in New York neben großen Expressionisten.

19451960198020002020

Bilder psychisch kranker Künstler aus Gugging hängen in New York neben großen Expressionisten.

Werbung
Werbung
Werbung

In einer gewissenhaft angelegten Ausstellung der Galerie St. Etien ne in New York werden die Zusammenhänge des Expressionismus und der nicht professionellen Kunst in einem historisch-ästhetischen Umriß gezeigt und die geistigen Aus-druckswerte hervorgehoben. Werke der großen Meister (Max Beckmann, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Alfred Kubin, Emil Nolde, Christian Bohlfs, Egon Schiele) und der Patienten einer psychiatrischen Anstalt (Haus der Künstler in Gugging in Niederösterreich), veranschaulichen die Ähnlichkeit der Darstellungsform.

Starke Umrisse, einfache Farbigkeit und entstellte Form unterstreichen das Bedürfnis nach Ausdruck inneren Erlebnisses. Bei den sogenannten psychisch gesunden Künstlern wird dieses Verfahren bewußt angewandt, bei den psychisch kranken Künstlern (Johann Fischer, Johann Garber, Johann Hauser, Franz Kam-lander, Franz Kern-beis, Johann Korec,

Heinrich Reisen-sauer, Arnold Schmidt, Philipp Schöpke, Oswald l'schirtner, August Walla) ist diese

Form der Äußerung unbewußt, automatisch, direkt ihrer psychischen Befindlichkeit entsprechend. Man spürt die ganz reine Natürlichkeit, die selbstverständliche Spontaneität. Beides ist jedoch im gemeinsamen Unterbewußtsein verwurzelt und läßt sich nur mit der „Konstanz der Bedürfnisse der menschlichen Psyche" erklären. Das Kunstwerk entspricht immer seinem Schöpfer. Daher ist die Grenze zwischen gesund und krank nur beim Künstler zu ziehen und nicht beim Werk. Gesundheit beziehungsweise Krankheit ist ein medizinisches und kein künstlerisches Kriterium. Die Ausstellung ist eine durchaus elitäre Angelegenheit. Sie erlaubt kritische Distanz zur Alltagsroutine zu schaffen und die empfangenen moralischen Signale richtig zu sehen und zu deuten. Ein Ereignis, das zur Reflexion anregt. Alles mündet in der Frage: Nach welchen Kriterien wird über Kunst oder Nicht-kunst entschieden?

THATWAY MADNESS LIES

Expressionism and the Art qf Gugging

The Galerie St. Etienne

24 West S7 Street-Manhaltan

New York, USA

bis zwnl5. März 1997.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung