Viel Theaterdonner um nichts

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In der Volkstheaterinszenierung von George Taboris Meisterwerk "Die Goldberg-Variationen“ bleibt nur mehr die Komödie übrig - das Lachen wird einem viel zu leicht gemacht.

Tabus, meinte George Tabori, müssen zerstört werden, wenn man nicht daran ersticken will. Der 2007 verstorbene Theatermeister hatte zeitlebens keine Angst den schrecklichen Wahrheiten unserer Gesellschaft ins Gesicht zu lachen: "Humor ist eine Lebenshaltung, ein Rettungsweg, der zu tun hat mit Toleranz und mit dem Prinzip Hoffnung, dass Weiterleben möglich ist“. Seine "Goldberg-Variationen“, 1991 in einer legendären Produktion am Akademietheater noch von ihm selbst inszeniert, bringen das Undenkbare zusammen: Gott, Komödie und Holocaust. Zeiten, Orte und Geschichte verschmelzen zu einer großen Erzählung, in der die ganze Welt auf einer Bühne Platz findet.

"Reader’s Digest“ der Bibel

In der Volkstheaterinszenierung bleibt von Taboris Meisterwerk nur mehr die Komödie übrig. Mr. Jay (Rainer Frieb), selbstverliebter Regisseur und Theatergott, probt eine Bühnenshow der Superlative, entstehen soll ein "Reader’s Digest“ der besten Szenen aus Altem und Neuem Testament. Von der Erschaffung der Welt, Adams und Evas Sündenfall (mit Bananen statt Äpfeln) über Abraham, der seinen Sohn Isaak opfert, bis hin zum Neuen Testament inklusive Kreuzigung und Auferstehung ist alles dabei. Nur seine Schäfchen, die Schauspieler Japhet, Masch und Raamah, sowie die überspannte Theatergöttin Terese Tormentina Superstar sind in dieser Bibelshow schwer unter Kontrolle zu bringen. Zum Glück hat Mr. Jay, der vom Regiesessel aus die Geschicke auf der Bühne lenkt, seinen Assistenten Goldberg (Ronald Kuste) zur Seite, geflissentlich gibt der jede Anweisung weiter, lässt sich von seinem Chef und den Kollegen verhöhnen und ist im Fall des Falles sogar bereit, von der resoluten Schweizer Requisiteurin fachgerecht ans Kreuz genagelt zu werden. Doch trotz dieses - im wahrsten Sinne des Wortes - aufopfernden Engagements will nichts so recht gelingen. Die Diva will sich nicht entkleiden, das Feigenblatt für Adam ist zu klein geraten, Licht und Ton fallen regelmäßig aus, der Regisseur ist ein alter Schwerenöter, und das gesamte Ensemble steht kurz davor, alles hinzuwerfen.

Zur Premiere am Volkstheater werden diese gespielten Katastrophen noch von der Realität übertroffen. Gleich zu Beginn, Claudia Sabitzer als Putzfrau Mrs. Mopp hat gerade die an die Rückwand gekritzelten Zeilen "Gott ist tot (Nietzsche) - Nietzsche ist tot (Gott)“ weggewischt, tritt der Hausherr Michael Schottenberg vom Publikumsgang aus auf die Bühne, um die Erkrankung eines Mitspielers zu verkünden. Und wie am Theater üblich, ist es an Regie oder Direktion die Rolle zu übernehmen. In diesem Fall erledigt das Regisseur Stephan Bruckmeier. Eigentlich der ideale Einstieg in ein Stück, das mit den Pannen hinter und vor der Bühne spielt, doch leider sind die folgenden Regieeinfälle weit weniger zündend. Überzeugender ist da noch das Ensemble: Claudia Sabitzer meistert alle Frauenrollen mit Bravour, ihre Schauspielkollegen (Jan Sabo, Günther Wiederschwinger) schmeißen sich mit Verve in jedes noch so absurde Kostüm, wie etwa den Ganzkörperschlangenanzug oder die Verkleidung als (Bananen-)Baum der Erkenntnis, und vor allem Kuste kann als Überlebenskünstler Goldberg glänzen.

Abseits der Komödienparodie

Das Leben ist auch nicht schmerzvoller als eine Theaterprobe, lautet die Botschaft im ersten Teil dieser (Volks-)Theaterverkündigung. Erst nach der Pause kristallisiert sich heraus, worum es abseits der Komödienparodie eigentlich gehen soll: das Verhältnis der Menschen zu Gott und ihrem Glauben, dargestellt im beständigen Konflikt zwischen Jay und Goldberg. Doch die wenigen ernsten Töne gehen in dieser schrillen Inszenierung unter den polternden Witzen und platten Gags ungehört unter. Es fehlen die stillen Momente, die der grotesken Schmierenkomödie entgegenstehen, das Lachen wird einem viel zu leicht gemacht. "Theater muss nicht gefallen“, heißt es an einer Stelle im Stück, zu gefällig sollte es auch nicht sein.

Weitere Termine

12., 15. November, 11., 22. Dezember

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