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PROF. DDR. JOSEF CIBULKA / EIN PROPST AUS PRAG

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Anfang April starb im Alter von 82 Jahren einer der bedeutendsten Gelehrten Böhmens, Prof. DDr. Josef Cibulka, Archäologe und Kunsthistoriker von Weltruf. Der Verstorbene war katholischer Priester und Propst des Kollegiatkapitels zu Allerheiligen auf der Prager Burg.

Prof. Cibulka war 1886 in Wil- tenschwert in Ostböhmen geboren worden und studierte noch unter Pius X. am böhmischen Kolleg in Rom Theologie und Philosophie. Er brachte den Sängerchor des Kollegs auf eine solche Höhe, daß er regelmäßig eingeladen wurde, in der Capella sistina unter Perosi zu singen. 1910 kehrte er in seine Heimatdiözese König- grätz zurück, wo er zunächst Dozent am Diözesanseminar und 1913 Sekretär des Bischofs Dou- brava wurde. Ende Oktober 1916 Unterzeichnete Kaiser Franz Joseph seine Berufung zum Studium an Wiener Frintaneum, der großen theologischen Lehranstalt der Habsburgermonarchie, aus der fast alle ihre Bischöfe hervorgingen. 1918 wurde er Spiritual am Priesterseminar in König- grätz, und im gleichen Jahr habilitierte er sich in Prag für Archäologie und kirchliche Kunstgeschichte, Der Umsturz von 1918 brachte ihm neue Aufgaben. Erzbischof Huyn resignierte, und Bischof Doubrava von Königgrätz wurde vorübergehend Administrator. Lächelnd erzählte der alte Cibulka, daß er eigentlich als Sekretär des Bischofs durch kurze Zeit faktisch die Erzdiözese geleitet habe. Für kurze Zeit wurde er Professor für Archäologie an der neuen theologischen Fakultät in Preßburg, ging aber schon 1920 nach Paris. 1922 wurde er Professor an der tschechischen Universität in Prag, 1926 ordentlicher Professor für Archäologie und kirchliche Kunstgeschichte und 1927 auch Dozent an der Prager tschechischen Universität.

Seine bedeutendste Arbeit aus dieser Zeit ist der Nachweis und die Rekonstruktion der Veitsrotunde auf der Prager Burg als eines Baues des heiligen Wenzels aus den Jahren 926 bis 930.

Die nazistische Okkupation und die Schließung der tschechischen Hochschulen brachten ihn 1939 als Direktor an die Spitze der Prager Nationalgalerie, wohin er viel kirchliches und jüdisches Kunstgut retten konnte. Nach Kriegsende 1945 an die neu eröffnete Universität zurückgekehrt, fungierte er auch als Experte an der UNESCO, bis der kommunistische Umsturz alles änderte. 1950 wurden alle theologischen Fakultäten und Lehranstalten in der Tschechoslowakei geschlossen, zwei neue Fakultäten in Leitmeritz und Preßburg errichtet und das Studium auf vier Jahre reduziert, ln den neuen Lehrkörper wurde er nicht aufgenommen und blieb 14 Monate ohne Gehalt, da auch sein Lehrstuhl an der philosophischen Fakultät aufhoben worden war.

Nach drei Jahren durfte er dann allerdings wieder lehren. Es gelang ihm sogar, die Erweiterung des Theologiestudiums auf fünf Jahre zu erwirken. Sein Einkommen war trotzdem beschämend.

Prof. Cibulka ertrug alle Behinderungen mit dem Gleichmut des Christen und Humanisten. Einmal nur äußerte er sich zum Schreiber dieser Zeilen, daß man als Tscheche eigentlich nur in Emigration leben könne. Entweder man emigriere ins Ausland oder lebe in einer inneren Emigration.

Prof. Cibulka repräsentierte das andere so unbekannte, aber doch so echte Böhmen: Einen weltweiten Humanismus, ein tiefes Christentum, eine große Gelehrtheit, eine Gelassenheit und den typischen tschechischen trockenen Humor.

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