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Tanks oder Stimmzettel?

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Seit dem Putsch, mit dem Generäle vor 32 Jahren den liberalen Präsidenten Irigoyen absetzten, kontrollieren, überspielen oder ersetzen sie die zivilen Gewalten in Argentinien. Doktor Frondizi betrachtet sich daneben als den verfassungsmäßigen Präsidenten und zieht es vor, weiter als Gefangener der Marine auf der Insel Martin Garcia zu leben, als durch die angebotene Emigration seine Absetzung anzuerkennen. Er wartet — wie Peron in Madrid —, ob das Chaos einen Grad erreicht, in dem man ihn als „Retter“ zurückholen könnte. Nun hat sein Nachfolger, Dr. G u i d o, am Tage nach dem Miniaturbürgerkrteg zwar erklärt, er werde die Zügel fest in die Hand nehmen, keinen neuen Putsch dulden und bald Wahlen veranstalten. Aber er hat es so oft gesagt, daß man es ihm nicht mehr glaubt. Das Volk hat ihn nicht gewählt. Das Parlament ist aufgelöst. Die Parteien sind suspendiert.

„Man gehorcht ihm nicht als Regierung de facto und glaubt ihm nicht als Regierung de jure“ — sagte ein General.

Was bedeutet hier „blau“ und „rot“?

An Stelle der zivilen Parteien bilden die Offiziere politische Gruppen, in deren Auseinandersetzungen die Ernennung der führenden Beamten und das politische und wirtschaftliche Schicksal entschieden wird. Die beiden — noch in viele Fraktionen gespaltenen — „militärischen Parteien“ sind die konservativen katholischen Nationalisten des Militärlagers Campo de Mayo, „Legalisten“, jetzt vor allem „Blau e“ genannt (zu denen sich neuerdings die Luftwaffe bekennt), und die liberalen, international eingestellten A n t i p e r o-nisten, die man „Gorilas“ oder jetzt (ganz ohne marxistischen Beigeschmack) „R o t e“ nennt (mit denen sich die Marine identifiziert).

Seidem der „blaue“ General Rauch mit den Tanks vom Campo de Mayo vor das Bonaerenser Präsidentschaftspalais, die „Casa Rosada“, gerollt ist und die Absetzung des „roten“ Gorila-Generals Poggi erzwungen hat, ist diese Methode zur Praxis geworden. Erst hat der „rote“ Gorila-General Toranzo Montero, Parteigänger der Militärdiktatur, zweimal die „blauen“ Campo-de-Mayo-Kriegsmini-ster Loza und den nur zwölf Stunden im Amt gelassenen Seüorans durch Drohung mit den rollenden Tanks abgesetzt. Jetzt hat umgekehrt der „blaue“ Campo-de-Mayo-General O n-ganio den „roten“ Kriegsminister, General Cornejo Saravia und seine Generäle Labayru und Loria vertrieben. Die Sieger besetzten alle wichtigen Kommandostellen. Die Besiegten werden pensioniert (bei vollem Gehalt), bis sich das Blatt wieder gewendet hat. Die letzte Auseinandersetzung unterschied sich aber von den früheren. Die Truppen im Campo de Mayo wurden vor dem Ausmarsch gesegnet. Zum ersten Male wurde wirklich geschossen; zum ersten Male bombardierte auch die — früher neutrale — Luftwaffe, freilich so „vorsichtig“, daß elf Zivilisten und drei Soldaten getötet und 19 Zivilisten und elf Soldaten verwundet wurden. Aber die Luftwaffe entschied den Kampf, da die Marine nicht rechtzeitig eingriff. Die Panik unter der Zivilbevölkerung war groß. Die Rundfunkmeldungen — vor allem von dem „blauen“ Sender — wirkten, als ob ganz Argentinien ein Kriegsschauplatz wäre. Überall wurden Barrikaden errichtet, für die man vorbeifahrende Privatkraftwagen beschlagnahmte. Die Luftwaffe forderte im Rundfunk zur Räumung aller Häuserblocks auf, in deren Nähe Truppen standen. Auch wurden Blutspender für Verwundete aufgerufen.

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