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Zwischen unweiblicher Außenseiterin und politischem Pin-up-Girl: Frauen werden in der Politik immer noch als Fremdkörper wahrgenommen. Wenn sie es in die erste Reihe schaffen, werden sie härter beurteilt als ihre männlichen Kollegen.

Ségòlene Royal setzte auf das Weibliche. Im letzten Wahlkampf um die französische Präsidentschaft kleidete sie sich feminin, präsentierte sich als Mutter, lächelte milde von den Wahlplakaten. In den Élysée-Palast brachte sie das nicht. Ihr wurde mangelnde Kompetenz unterstellt.

Angela Merkel verzichtete im Wahlkampf auf die Betonung ihres Frau-Seins. Sie legte ihr mädchenhaftes Image ab, äußerte sich weder zu ihrer neuen Frisur noch zu ihrer Kleidung öffentlich. Sie schaffte es ins Kanzleramt. Und wurde in den Medien als "Auster“ oder "Neutron“ bezeichnet.

Wie man’s macht als Frau in der Politik, ist‘’s falsch. So muss das nüchterne Fazit des neuen Buches "Das Ende der Krawattenpflicht“ ausfallen, in dem Barbara Blaha und Sylvia Kuba untersuchen, wie Politikerinnen in der Öffentlichkeit bestehen (siehe unten). Nämlich nur mit Mut, Durchhaltevermögen und einer sehr dicken Haut. Das Idealbild eines Politikers, der durchsetzungsfähig, aggressiv und konfliktfreudig sein soll, widerspricht nämlich diametral dem Idealbild einer Frau, die als emotionaler, einfühlsamer und harmoniebedürftiger gilt, so die Grundthese der Autorinnen. "Als Frau in der Politik kann man es sich nicht leisten, auf ein betont männliches Auftreten zu verzichten. Und man muss darauf gefasst sein, unweigerlich mit dem Vorwurf konfrontiert zu sein, dass man unweiblich sei“, sagt Sylvia Kuba. "Da hilft nur ein Panzer, an dem die Vorwürfe abprallen“, ergänzt Barbara Blaha, "und die Einsicht, dass es sich nicht um ein persönliches Defizit handelt, sondern um strukturelle Probleme.“

Die weibliche Brille fehlt

Die beginnen in der Kommunalpolitik und enden bei der Frage, wen eine Partei als Spitzenkandidatin - oder doch eher: -kandidaten - aufstellt. Frauen werden oft auf aussichtslose Startpositionen gereiht, haben schlechtere Karten in der Vereinskultur, sind eher bereit, Hintergrundarbeit zu leisten, und zudem mit denselben Schwierigkeiten konfrontiert, wie in jedem anderen Beruf: Der Großteil der Haus- und Familienarbeit hängt an ihnen. Das Ergebnis dieser Hemmnisse sind ernüchternde Zahlen bei der Frauenbeteiligung in der österreichischen Politik: Nicht einmal fünf Prozent der Gemeinden haben eine Bürgermeisterin, im Nationalrat liegt der Frauenanteil bei 27 Prozent. Das hat demokratiepolitische Folgen: In der Gesetzgebung, in Gremien und Ministerien fehlt die weibliche Brille. "Frauen entscheiden inhaltlich anders. Nicht nur bei klassischen, Frauenthemen‘ sondern auch bei weiten Teilen der Sozialgesetzgebung. Es ist klar, dass die weibliche Lebensrealität nicht irrelevant ist, wenn ich eine Pensionsreform verhandle“, sagt Blaha. "Und es ist eine symbolische Frage: Erst, wenn Frauen genauso selbstverständlich in Machtpositionen sind, wie Männer, wachsen Mädchen mit der Vision auf, dass sie alles werden können, auch Kanzlerin oder Präsidentin“, meint Kuba.

Frauen als politische Pin-up-Girls

Wie wenig selbstverständlich Frauen in der Politik sind, zeigt ein weiteres, internationales Phänomen: Die Inszenierung von jungen, attraktiven Frauen als Pin-up-Girls politischer Bewegungen. Die 23-Jährige Kommunistin Camila Vallejo, die als hübsches Gesicht der Studentenproteste in Chile die Medien begeistert, gehört dazu. Oder Marina Weisband, Berliner Piratin Jahrgang 1987, die als Star der Partei durch deutsche Talkshows gereicht wird. "Jede Frau, die vor den Vorhang geholt wird, verdeckt die strukturelle Ungleichheit dahinter“, erklärt Blaha die doppelgleisige Wirkung: "Jede Piratin, die vorne steht, verdeckt, dass in ihrer Partei von 15 Abgeordneten 14 Männer sind.“ Weil es zudem mehr um die Wirkung als um Kompetenz geht, ist die Halbwertszeit der "Pin-up-Politikerin“ kurz. "Sobald sie aus der Rolle fällt, oder älter wird, verschwindet sie“, gibt Kuba zu bedenken.

Langfristiges Mitmischen wird Frauen ohnehin schwer gemacht. So gibt es in Österreich etwa keine Mutterschutzregelung für Mandatarinnen. "Im System existiert die Möglichkeit, dass eine Politikerin schwanger wird, nicht“, sagt Blaha. Eine Abgeordnete kann sich während ihrer Karenz nicht vertreten lassen. Während ihrer Abwesenheit fehlt ihrer Partei dann die Stimme. Dieses Problem betrifft übrigens auch moderne Väter: Ein Papamonat ist für Politiker unter diesen Umständen so gut wie unmöglich..

Lächelnd ins Zentrum der Macht

Wir alle lächeln viel zu viel“, sagt Barbara Blaha, und lächelt dabei. Schon früh ist diese Differenz erlernt. Bereits mit sechs Jahren lächeln Mädchen aus sozialen Gründen öfter als gleichaltrige Buben. Welche Auswirkung diese und andere antrainierte Rollenmuster auf den politischen Einfluss von Frauen in der Gesellschaft haben, hat sie gemeinsam mit Sylvia Kuba in ihrem Buch "Das Ende der Krawattenpflicht“ untersucht. Beide haben selbst politische Erfahrung: Kuba war von 2005 bis 2007 Vorsitzende des Verbands sozialistischer StudentInnen Österreichs. Blaha war zur selben Zeit Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft.Aus Protest gegen die Nichtabschaffung der Studiengebühren trat sie aus der SPÖ aus.

Machtmechanismen analysieren

"Schon damals, als Studentenvertreterin, war deutlich spürbar: Es macht einen Unterschied, dass eine Frau dasteht und kein Mann“, sagt Blaha. Wenn sie von Beamten als "entzückende Kollegin“ mit Handkuss begrüßt wurde, war es schwer, auf Augenhöhe zu verhandeln. Heute leitet sie den Politik-Kongress Momentum. Kuba ist Pressesprecherin.

Mit ihrem Buch legen die beiden eine detaillierte und quellenlastige Analyse von geschlechterspezifischen Macht- mechanismen vor und geben Ideen, wie man sie verändern könnte. (dol)

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