Die schönste Zeit unseres Lebens - © Constantin

Die Jacke. Die Platte. Das Leuchten von einst.

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Es ist ein beliebtes Klischee, dass sich Männer wichtige Beziehungsdaten nicht merken. Anders ist das ausnahmsweise bei der Hauptfigur aus der französischen Komödie „Die schönste Zeit unseres Lebens“. Für den Comiczeichner Victor (Daniel Auteuil) war der alles überragende Tag der 16. Mai 1974 in Lyon. Da lernte er seine große Liebe kennen. Die Frau von damals, erklärt er, sei aber vor Jahren gestorben. Gattin Marianne (Fanny Ardant) beäugt ihrerseits mit zunehmender Abscheu den grantigen, rauschebärtigen Greis neben ihr, der sich sowohl der Gegenwart verschließt wie auch jedem neuen Projekt. Sie selbst begeistert sich weiterhin für Innovationen wie die virtuelle Realität und hat sich schon lange in eine Affäre mit seinem früheren Redakteur geflüchtet.

Als Marianne genug hat und Victor vor die Tür setzt, bekommt dieser seinen eigenen Ausflug in eine künstliche Welt geschenkt: Die Agentur von Antoine (Guillaume Canet), der mit seinem Sohn seit Kindheitstagen befreundet ist, lässt Menschen nicht nur sprichwörtlich in der Vergangenheit leben.

Bis ins Detail stellt sie jeden gewünschten Moment nach. Die einen wollen ein herrschaftliches Festmahl im 18. Jahrhundert, die anderen Hemingway beim Trinken zusehen. Victor will an besagtes Datum zurück. Hinter den Kulissen setzt der Freund, dem es ein persönliches Anliegen ist, diesen Wunsch zu erfüllen, die Hebel in Bewegung. Tyrannischer Perfektionist, der er ist, kann er sich als Besetzung für die große Liebe nur Margot (Doria Tillier) vorstellen, die Schauspielerin, mit der er abwechselnd zusammen und verkracht ist.

Nicolas Bedos’ Film bezieht gerade daraus seine Anziehungskraft: Bald schon verschachteln sich in einer Szene zwei oder drei Beziehungen in ebenso vielen Personen, ist da nicht nur Margot, die sich in ihrer Rolle zu Victor an den Tisch im penibel nachempfundenen Café setzt, sondern hinterm Spiegel auch Antoine, der sie zu kontrollieren sucht. Ganz abgesehen von weiteren Verbandelungen, mit denen Bedos nebenher amüsiert.

Doppelbödige Antwort

Die Inszenierung der perfekten Illusion macht den Film zwar auch mit David Finchers „The Game“ verwandt. An den berühmtesten Genrevertreter, „Die Truman Show“, schließt er jedoch unmittelbar an, wenn er „Schöpfer“ und Subjekt voneinander getrennt hält – im Gegensatz zu Truman und dessen „Schöpfer“ Christof ohne absolute Not, aber es reizt auch hier, die beiden nahe aneinander zu bringen, ohne dass sie sich begegnen. Und die Frage zu stellen, ob Antoine sich bei all seinem Eingreifen ins Leben anderer für Gott hält.

Die Antwort darauf ist so doppelbödig wie der Rest des Humors, dem Bedos im Lauf der Geschichte immer größeren Raum gibt. Ähnlich peu à peu entwickelt „Die schönste Zeit unseres Lebens“ seinen Charme, im Verbund mit diversen Verstrickungen und dem Verschwimmen von „realer“ und vorgegaukelter Fiktion. Nicht alles an dieser Komödie, die sich überaus ernst nimmt, ist vollständig ausgefleischt.

Auch wenn sie Schwächen in Nebensträngen hat und manchmal sprunghaft daher kommt, steht ihr eine Riege an Charakterdarstellern zur Verfügung, die selbst im Kleinen eine nicht alltägliche Qualität mitbringt – und im besten Fall für Berührendes, wie eine Szene mit dem französischen Altmeister Pierre Arditi, sorgt. Am meisten ist es aber vielleicht doch Daniel Auteuil, der einem diesen Film ans Herz wachsen lässt. Wenn er als Victor in seinem Hotelzimmer steht, die alte Jacke überstreift, eine Platte auflegt – und der 25-Jährige von einst wieder in ihm aufleuchtet.

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