Ein Wiener "Schwieriger“ und Weltmann

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Er war Österreichs bedeutendster Kunsthistoriker und Ausstellungsgestalter der Nachkriegszeit. Und die reichte bei Werner Hofmann von den fünfziger Jahren bis zum überraschenden Tod des 84-Jährigen am 13. März in Hamburg. In der Hansestadt hatte der Wiener von 1969 bis 1990 die renommierte Kunsthalle geleitet und dieses Flaggschiff großbürgerlicher Kunstverehrung zu geisteshellen Themenausstellungen im Zyklus "Kunst um 1800 und die Folgen“ geführt.

Arche Noah oder Vergnügungsdampfer - das waren die Gegensätze, die sich nach 1968 als Vorstellungen von Museumsführung herausbildeten. Hofmann wählte als gewiegter Dialektiker eine Synthese: Seine von der Lust an scheinbar disparaten Konfrontationen geprägten Ausstellungen legten einschneidende Aufklärungsschneisen in die Herkunftsgeschichte der Moderne. Das begann 1974 mit der legendären Caspar-David-Friedrich-Schau und führte über Füssli, Blake, Runge und Goya bis zur Gegenwart, zu Joseph Beuys oder Georg Baselitz (in Österreich zu Arnulf Rainer).

Höhepunkt dieser hofmannesken Neubewertungen war das Epochenpanorama "Europa 1789“. Unter dem Motto "Vermessene Welt - Maßlose Welt“ wurde exemplarisch vorgeführt, was dem Künstler seit den Ansprüchen und Exzessen der Französischen Revolution als Plattform geblieben ist: einzig die Position vis-à-vis der Macht. Vorausschauend hatte Hofmann im Wendejahr 1989 auf eine Ideengeschichte des neueren Europa zurückgeblickt.

In der Genealogie der Wiener Kunstgeschichte stellte sich Hofmann als der große Antipode seines Vorgängers Hans Sedlmayr heraus. Dessen 1948 publizierte Pauschal-abrechnung "Verlust der Mitte“ hat er glänzend ins Gegenteil gewendet: kein Abbruch einer fehlgedeuteten Kontinuität, sondern Aufbruch durch die Vielzahl von Diskontinuitäten, die das große Kunstprojekt der Moderne kennzeichnen. "Bruchlinien“ heißt denn auch ein luzider Band Hofmanns mit Aufsätzen zur Kunst des 19. Jahrhunderts, der bruchlos an die fundamentale Epochenstudie "Das irdische Paradies“ anschloss.

Wien hat angesichts dieses herausragenden "Schwierigen“ über weite Zeitstrecken versagt. Dabei waren die Anfänge vielversprechend: Nach seiner Assistenz an der Albertina wurde Hofmann 1959 mit dem Sammlungsaufbau für das "Museum des 20. Jahrhunderts“ beauftragt, das drei Jahre später in Karl Schwanzers Weltausstellungspavillon im Schweizergarten eröffnet wurde. Mit kargem Budget hatte Hofmann ein gewichtiges Fundament für das spätere Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig gelegt. Doch bald trat Entfremdung ein. Zunächst war es Ignoranz, dann bewusstes Missverständnis, womit diesem wienerischen Kosmopoliten begegnet wurde. Erst 1987 wurde der ingeniöse kunstgeschichtliche Panoramengestalter in seiner Heimatstadt wieder tätig: bei den Festwochen mit der Manierismus-Schau "Zauber der Medusa“.

Zuletzt hat der rastlose Gedankengeher und Ideenwandler seine Ernte in großartigen Monographien eingebracht: Caspar David Friedrich (2000), Goya (2003), Daumier (2004) und Degas (2005). Schon früh wurden seine Publikationen international beachtet, was sich auch in Lehraufträgen in Berkeley, Harvard und der Columbia University niederschlug. Hofmanns "Grundlagen der modernen Kunst“ ist bis heute eine der besten Einführungen in das Wesen der Moderne. Sein letztes Buch trägt den Titel "Phantasiestücke. Über das Phantastische in der Kunst“ (2010).

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