Kleines Filmwunder

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Dank BBC und ORF: Nach Jahrmillionen bevölkern wieder Dinosaurier die Erde.

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Dank BBC und ORF: Nach Jahrmillionen bevölkern wieder Dinosaurier die Erde.

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Sie sind also wieder da, die Dinosaurier. Und man muß den Machern von der BBC, von denen die neueste "Universum"-Serie stammt, neidlos zugestehen, daß die Übung gelungen ist: Nach Jahrmillionen bevölkern wieder riesenhafte Echsenwesen die Erde. Zwar nur auf dem TV-Schirm; dennoch ist es ein kleines Wunder, was da zu sehen ist. Niemals, auch nicht in "Jurassic Parc", ist es bislang gelungen, ausgestorbene Lebewesen so ins Bild zu setzen.

Allerdings gilt hier die Einschränkung vom rasenden Fortschritt: als in den 20er Jahren in Stummfilmen Lehm- und Gummimodelle von Dinosauriern gegeneinander antraten, staunte das damalige Publikum. Heute wirkt ein derartiger Puppenkampf lächerlich und maximal filmhistorisch amüsant - vielleicht wird es den Computerdinos einst ja genauso ergehen.

Der größte Unterschied zu früheren Dinosaurierverfilmungen liegt in ihrer Absicht und der daraus resultierenden Vorgehensweise: Bei "Jurrassic Parc" und ähnlichen Streifen wurde versucht, möglichst eindrucksvolle Spezialeffekte zu generieren, um das Publikum zu verblüffen, zu amüsieren und zu erschrecken. Bei der "Universum"-Dokumentation sieht die Sache grundlegend anders aus. Hier ging eine Crew aus Wissenschaftlern und Naturfilmern daran, ein möglichst getreues Abbild der Wirklichkeit der Lebensumstände der riesigen Echsenwesen vor Millionen von Jahren darzustellen. Das Ergebnis kommt daher auch zugleich eher harmlos wie auch sehr spektakulär daher. Harmlos, weil die großen Kämpfe weitgehend wegfallen, weil nicht gewütet wird, sondern weil die Dinos im Film größtenteils ein alltägliches, oft kontemplatives Leben ganz normaler Tiere führen. Gleichzeitig ist das spektakulär, denn nie zuvor hat jemand Millionen von Pfund geopfert, um ganz genau zu zeigen, wie spezialeffekt-generierte Lebewesen Brutpflege betreiben oder mit welcher Methode sie Farne abrupfen.

Faszinierend auch die Arbeitsweise der Serien-Macher. Paläontologen erklärten Computergraphikern, wie die Dinos (vermutlich) aussahen, und wie sie sich aufgrund ihrer Skelettstruktur mit großer Wahrscheinlicheit bewegt haben. Hollywood-Regisseure müssen auf so etwas nicht Rücksicht nehmen, bei diesem Projekt war es aber sehr wichtig, um wieviel Grad ein Dino seinen Kopf nun heben, senken oder drehen konnte. Viele Dinge konnte die Wissenschaft allein aus den Knochenfunden und Zoologie jedoch nicht beisteuern: Wie genau fliegen Flugsaurier? Wie schwimmen Meeressaurier mit vier Flossen? In welchem Gang bewegen sich tonnenschwere Fleischberge vorwärts? Faszinierenderweise konnten viele dieser Fragen, wie man in dem hervorragenden "Making of" nach der ersten Folge sehen konnte, durch die Animateure am Reißbrett beantwortet werden: aufgrund der fixen Vorgaben stellte sich heraus, daß gewisse Bewegungsabläufe der Tiere eben nur so funktionieren. Auf diese Weise wurde das Filmprojekt unabsichtlich auch zur wissenschaftlichen Studie, die der Paläontologie tatsächlich neue Fakten lieferte.

Dem Zuseher kann das allerdings über weite Strecken egal sein. Er beobachtet fasziniert die perfekte Mischung aus Puppenspiel und Computeranimation, die ausschließlich anhand der Bilder so gut wie nicht als Täuschung zu entlarven ist: wenn man nicht wüßte, daß das Gesehene bloß Trickfilm ist, erkennen könnte man es nicht. Faszinierend auch die vielen Nebeninformationen, die durch die Serie vermittelt werden - etwa über die Welt, in der die Dinos lebten.

Eine kritische Frage taucht beim Anblick der ehrenwerten Fälschungen auf - so wie da ein professioneller Naturfilmer Leben, Lieben und Sterben einzelner Individuen sowie ganzer Familen drehbuchgerecht darbringt: Könnte dies nicht auch der Modus sein, mit dem sonstige Tierfilme entstehen? Wie "wahr" sind die anderen Dokumentationen über lebende Tierarten, die sich in Dramaturgie und Machart in keiner Weise von "Dinosaurier - Im Reich der Giganten" unterscheiden? Man fragt sich unwillkürlich. Dies ist aber kein Grund, die Serie am 18. und 25. November auf ORF 2 nicht zu genießen.

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