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Anouilhs „Becket“ in Linz

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Nun bekommt auch Linz im Großen Haus des Landestheaters Anouilhs Drama „Becket oder die Ehre Gottes“ in einer «ehr guten Aufführung zu sehen. Das Drama wurde in der „Furche“ bereits gewürdigt, als es 1960 am Burgtheater unter Lindt-berg zur deutschsprachigen Erstaufführung kam und im Frühjahr 1962 mit teilweiser neuer Besetzung wieder ins Repertoire aufgenommen wurde. Anouilh hat mit den französischen Avantgardisten eines gemein: er drängt weder dem Schauspieler noch dem Zuschauer eine starre Auffassung auf, sondern verlangt von beiden eine aktive Mitgestaltung. Dies um so mehr, als er sich zwar im Wesentlichen an die historischen Gegebenheiten hält, seine P Tsonen aber vielfach — und so auch in seinem >■ Becket“ trotz der mittelalterlichen Kleidung — nicht zeitgebunden, sondern eher modern denken. Er läßt >a auch nicht merken, daß er selbst an den Gott, dessen Ehre auf Erden er verteidigen läßt, nicht glaubt.

Das Hauptverdienst an der Linzer Aufführung kommt freilich drei Gästen zu. Zunächst Harald B e n e s c h für die wohldurchdachte Inszenierung, das einheitlich geführte, festgefügte Ensemble, nicht zuletzt für die sorgsame sprachliche Betreuung. Aufs beste wird er unterstützt vom Linzer Bühnenbildner Heinz K ö 11 e 1, der für eine werkgerechte Raumgestaltung und in den Farben gut abgetönte Kostüme sorgt sowie eine rasche Abfolge der vielen Szenen ermöglicht. Als Hauptdarsteller gleichwertig, beide Gäste, sind Herbert Propst als König und Otto David als Becket, die ihren Rollen nichts schuldig bleiben und die Gegensätzlichkeit ihrer Charaktere scharf, doch ohne Übertreibung herausarbeiten. Ihr Zusammenspiel ist vorbildlich. Wenn freilich von der Regie Roland Pietris bei der Pariser Uraufführung und im Münchner Residenztheater gesagt wurde, die Pferde aus Papiermache spielten emsthaft und bedeutsam mit — was auch für die Regie Lindtbergs am Burgtheater gilt — so blieben sie in Linz etwas starr. Von den Mitwirkenden seien genannt Hans Faber für seine ausgezeichnete Leistung als König von Frankreich, Mario Haindorff und Heribert Just als Papst und Kardinal mit ihrem geschliffenen Dialog. Benesch verzichtet zwar auf die Entgiftung dieser bösartig verzeichneten Szene, wie es Pietri in München tat, als er den zynischen Kardinal in einen Höfling verwandelte, doch dämpfte auch er die Schärfe. Alexander III. war nicht der hinterhältige Intrigant, wie ihn Anouilh zeichnet, sondern eine der bedeutendsten Erscheinungen auf dem päpstlichen Stuhl. Gustav Dieffenbacher ist ein würdiger Erz-bischof. Herbert Kucera ein leidenschaftlich kleiner Mönch. Der starke Schlußbeifall war die verdiente Anerkennung für Stück und Aufführung, die auch an die technische Leitung und Beleuchtung hohe Anforderungen stellte.

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