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Wien feiert Arnold Schönbergs 100. Geburtstag, des Begründers der „Zweiten Wiener Schule“, des Erfinders der Zwölfton-Kompositionstech-nik. Was vergangene Generationen im „Fall Schönberg“ verabsäumt, ja verweigert haben, soll jetzt sich erfüllen: Schönbergs Asche, aus den USA übergeführt, wird am 5. Juni in einem von Wotruba gestalteten Ehrengrab im Wiener Zentralfriedhof beigesetzt; ein Schönberg-Kongreß soll sein Schaffen, diesen immerwährenden Anstoß zu Neuem, nach vielen neuen Aspekten analysieren; und, die Stadt Wien steuerte eine vorbildliche Gedenkausstellung in der Secession bei, eine reiche Schau mit Tonstudio und Konzertprogramm, so daß dielnformation in Sachen Schönberg wohl optimal sein dürfte.

Zahlreiche kostbare Dokumente und Erinnerungsstücke, vieles aus dem Besitz der Schönberg-Kinder Nuria und Ronald, sind für ein paar Wochen aus den USA nach Wien heimgekehrt; wichtige Partituren und Briefe aus dem Besitz der Universal Edition und anderer wurden hinzugefügt, um dieses Bild der vielschichtigen, vielfältig engagierten Persönlichkeit Schönberg zu vermitteln: Was freilich immer ein Problem sein wird, einen Komponisten mit Partituren („Moses-und-Aaron“-Particell, „Glückliche Hand“ und andere) au belegen; den der breiten Öffentlichkeit kaum bekannten expressionistischen Maler Schönberg, den zum Beispiel Kandinsky, Kokoschka und Gütersloh besonders hochschätzten, stellen fünfzig Gemälde vor. Die eigenwillige, streitbare Persönlichkeit, den Dirgenten, Lehrer, führenden Theoretiker, runden zum Teil unveröffentlichte Briefe, Programme, Plakate, Photos, aber auch die berühmten Schönberg-Pörträts von Kokoschka und Oppenheimer; in der Dokumentation seines Freundeskreises finden sich so herrliche Bilder wie Schieies Webern-Bild.

Also eine eher schwer zu bewältigende Kollektion von rund 500 Objekten, von denen freilich fast jedes beim Kenner der klassischen Moderne Erinnerungen beschwören wird, Assoziationen, die sich schließlich zu einem Zeitbild von besonderer Einprägsamkeit zusammenfügen. Voraussetzung ist natürlich, daß man mit Schönberg bereits geistige „Freundschaft“ geschlossen hat. Für wen er Neuland ist, dem wird er sich vermutlich auch hier nicht ganz so leicht erschließen, wie dies wünschenswert wäre. Aber im Kapitel Schönberg gehört das ja längst zur Tradition. Von den Schwierigkeiten hat SChönberg stets selbst gewußt. 1910 fühlte er bereits, anläßlich der Uraufführung seiner George-Lieder, sehr wohl den „Hitzegrad der Auflehnung“, die ihm überall entgegenschlagen sollte. Im Programmheft schrieb er, daß er „ahne, daß selbst solche, die ihm bisher geglaubt haben, die Notwendigkeit dieser Entwicklung nicht werden einsehen wollen“. Spät mögen da so tröstende Sätze wie die des Kritikers Julius Korngold gekommen sein, der dem bereits in der Emigration in Los Angeles lebenden Meister 1944 schrieb: „Ihr Name ist aus der Musikgeschichte nicht wegzudenken. Alle, die da kommen werden, mögen sie Ästhetiker, Historiker oder sonstwie heißen, werden sich mit den Problemen, die Sie aufgeworfen haben, zu befassen haben.“1

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