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Der Schein trügt

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Schöner hätte das Abschiedsgeschenk nicht sein können: Ehe er sich nach London verabschiedete, um dort eine Spitzenposition in der Europa-Zentrale zu übernehmen, konnte Mobil-Ge-neraldirektor Friedrich Ebeling noch eine Bilanz mit 270 Millionen Schilling Jahresgewinn vorlegen.

Und er bekam prompt die erwarteten Hiebe dafür. Da sehe man doch wieder einmal, welche Pflanzerei das Raunzen der öl-multis sei. Daran änderte auch nichts, daß Ebeling der Bilanz eine minutiöse Gewinnanalyse beischloß, aus der u. a. hervorgeht, daß von den 270 Millionen nur 36 Millionen Betriebsgewinn sind und 1979 nicht weniger als 117 Millionen Scheingewinne versteuert werden mußten.

Ein Scheingewinn, der daraus resultiert, daß das österreichische Steuerrecht die Bilanzierung der Warenvorräte zum Ein-

standspreis zwingend vorschreibt: ,

Handelt es sich nun, wie eben bei Mineralöl, um eine Produkt, dessen Preis sehr rasch steigt, führt das zu einer großen Diskrepanz zwischen den Erlösen und dem Einkaufspreis, die sich als entsprechend hoher Bilanzgewinn niederschlägt und versteuert werden muß, obwohl ein Großteil des Erlösüberschusses für die Wiederbeschaffung des Produkts (öl) zu den jetzt entsprechend höheren Preisen verwendet werden muß.

Wenn auch die Mineralölwirtschaft wegen der enormen Umsätze und der extremen Preissteigerung beim Rohöl von der Scheingewinnproblematik besonders betroffen ist - um ein Einzelschicksal handelt es sich keineswegs. Kurt Bayer, Industrie-Referent am Institut für Wirtschaftsforschung, hat eben eine sehr komplexe Untersuchung über die Gewinn- und Renditesituation bei österreichischen Industrieaktiengesellschaften veröffentlicht (Monatsberichte 7/1980), mit der der vermutetete Zusammenhang zwischen Inflationsentwicklung und dem Anfallen von Scheingewinnen ganz eindeutig nachgewiesen wird.

Nach den Berechnungen von Bayer - die mangels entsprechender Daten freilich teilweise auf Hypothesen und Schätzungen basieren - war der Effekt der Inflationsbereinigung der Bilanzdaten in den fünfziger und sechziger Jahren relativ konstant, steigt aber in den siebziger Jahren mit der Inflätionsrate sehr signifikant. Bisheriger Höhepunkt - die Berechnungen Bayers reichen bis zum Jahr 1977-war das Jahr 1974, wo allein in den Bilanzen der Industrieaktiengesellschaften ein Scheingewinn von 8,5 Milliarden Schilling entstand.

Die kumulierten Scheingewinne für die acht Jahre von 1970 bis 1977 ergeben für die genannten Gesellschaften den imposanten Betrag von rund 36 Milliarden Schilling, für die brav die Ertragssteuern zu entrichten waren.

„Scheingewinn" scheint doch mehr als eine Ausrede jammernder Kaufleute zu sein, die sich für die Früchte ihrer Arbeit genieren.

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