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Die drei Alten

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Es spricht viel dafür, daß Österreich trotz aller Veränderungen in der sozialen Struktur und der damit verbundenen Denkweisen (zum Beispiel dem Trend zur politischen Mitte) ein parteipolitisch relativ stabiler Boden bleibt.

Wenn die traditionellen Parteien in Zukunft offene Diskussionen zulassen - innerhalb ihrer

Gremien und Funktionäre, aber auch mit Sympathisanten, Außenstehenden, Bürgern -, so könnte Österreich etwas überraschendes erleben: Zwar wäre dann Österreichs Parteiensystem weiterhin von einer hohen Konzentration gekennzeichnet, die Parteien hätten jedoch eine grundlegende Veränderung erfahren. Die Parteien hätten posi tiv auf die neuen Erfordernisse reagiert:

• auf das Erfordernis Nummer eins, statt ideologischer Deutungsmuster zu einer themenbezogenen Politik fortzuschreiten;

• auf das Erfordernis Nummer zwei, den Meinungsbildungsprozeß in den Parteien als eine Abfolge von Information, Diskussion und Entscheidung zu sehen;

• auf das Erfordernis Nummer drei, die Parteien durchlässig zu machen für Ideen von außen—von Vertretern anderer Parteien ebenso wie von Initiativen und Bürgergruppen.

Allerdings: Die Parteien stehen in Österreich erst am Anfang ei ner solchen Entwicklung, und sie müssen sich — wahrscheinlich nicht ohne Reibungsverluste — erst auf die neuen Erfordernisse umstellen. Der demokratischen Entwicklung in Österreich wäre es förderlich, wenn den Parteien dieser Umstellungsprozeß gelänge.

Österreich wird auch in den neunziger Jahren von einer hohen Parteienkonzentration geprägt sein - die drei „Altparteien“ SPÖ, ÖVP und FPÖ werden nicht mehr ein Hort von allumfassenden Ideologien und ideologischen Deutungsmustern sein, der Wandel zu einer themenbezogenen Politik — Vollbeschäftigung, Um weltschutz, Privatisierung, um drei Beispiele zu nennen — wird sich fortsetzen.

Die Unterschiede zwischen den Parteien werden dadurch kleiner werden, jedoch nicht verschwinden. Themen wie Vollbeschäftigung oder Solidarität werden nach wie vor eher „links“ besetzte Themen sein, während ein Thema wie „Privatisierung“ eher ,.rechts“ zugeordnet werden wird. Die Diskussion über politische Themen wird zunehmen: Die Trennungslinien werden nicht mehr so scharf zwischen den Parteien verlaufen wie früher, immer öfter wird es zu Trennungslinien innerhalb der Parteien kommen. Ebenso werden Bürgergruppen und Initiativen sich verstärkt in die Diskussion einschalten—ohne eine Partei zu sein.

Der Autor ist Vizebürgermeister und SPÖ- Obmann von Wien. Aus dem von ihm mit seinem Pressereferenten herausgegebenen Buch „Neue Modelle für Österreich“ (Verlag Jugend und Volk).

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