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Ein Konvolut beliebiger Notizen

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Als „gelernte" Österreicher wissen wir zwar manches über die tschechischen Länder, also Böhmen und Mähren, die ja innerhalb der Monarchie der österreichischen Reichshälfte zugehörten, wesentlich weniger aber über die Slowakei, die zur ungarischen Reichshälfte gehörte. Abgesehen davon, daß eine den Ereignissen der letzten Jahre Rechnung tragende „Geschichte" unseres nordöstlichen Nachbarlandes höchste Mangelware bleibt, legt nun der slowakische Journalist Josef Spetko unter dem Titel „Die Slowakei. Heimat der Völker" ein Buch vor, das beim begierigen Leser viele Erwartungen wecken muß, die es aber bestenfalls im Ansatz erfüllt.

Warum? Zunächst führt schon der Titel in die Irre: Spetko möchte getreu seinem erlernten Metier „journalistisch" die Beziehungen der Völker in der Slowakei, vor allem der Karpatendeutschen untersuchen. Immerhin wird im ersten Teil die Geschichte der Slowakei auf knapp 100 Seiten zusammengefaßt, was an sich ein sehr verdienstvolles Unternehmen wäre, würde sich der Autor mehr auf Dokumente und weniger auf Zeitungsberichte und ähnliches verlassen. Dies gilt hauptsächlich für die Zeit ab 1939, weil die Quellenstudien darüber noch keineswegs voll angelaufen sind.

Der zweite Teil bietet eine Menge unsystematisch geordneter „Exkurse" zur Kultur der Karpatendeutschen, „deren Vertreibung" auf dem Prinzip der Kollektivschuld verurteilt wird. Spetko möchte das 800 Jahre alte deutsche Kulturgut nicht für alle Zeiten versinken lassen. Sie sind allerdings zum Teil von solcher Beliebigkeit und Zufälligkeit des Beobachteten und als allgemeingültig Wiedergegebenen, daß dem Leser vor solcher „Historie" das Grausen kommt.

Das ganze Buch erscheint über weite Strecken ein gutgemeintes Konvolut von zufällig gesammelten Notizen, der Autor selbst schreibt zwar deutsch, trotzdem ist zum Teil die Wortstellung des Slowakischen durchgedrungen -was der Lektor des Verlages hätte korrigieren können.

Sachliche Ungenauigkeiten, wie zum Beispiel in der Zitation (die durchwegs im Text und ohne Fußnoten erfolgt), offensichtliche Abschreibfeh-ler (der letzte Assistent Edmund Hus-serls hieß nicht „E. Funk", sondern Eugen Fink), wiederholte Abkürzungen, deren Sinn durch ein Abkürzungsverzeichnis an' keiner Stelle erhellt wird, kann der Rezensent nicht nachsehen. Desgleichen das Fehlen eines Personen- und Sachregisters. In der „Chronologischen Übersicht" zur Geschichte der Slowakei wird man vergeblich nach dem Datum 17. oder 19. November 1989 suchen - der Autor erwähnt die „sanfte Revolution" nur im Textteil, scheinbar einflußlos neben anderen Ereignissen.

Angesichts dieser Publikation aus einer doch eher subjektiven Sicht der Stellung der Karpatendeutschen zu den Slowaken fällt das Fehlen einer umfassenden Geschichte der Slowakei und des slowakischen Volkes umso schwerer ins Gewicht.

DIE SLOWAKEI. Heimat der Völker. Von Josef Spetko. Amalthea Verlag, Wien/München 1991. 408 Seiten, öS 298,-.

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