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Flaute für EXPO-Kultur

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Der Himmel hängt tief und grau vor den Fenstern der EXPO-Veranstalter. Den Erbauern der "Brükken in die Zukunft" fehlt das andere Ufer. Ihre "Brücken"-Pläne hängen in der Luft. Winterliche Depressionen machen sich breit.

Zu Frühlingsbeginn war alles anders. Noch hielt Erhard Busek, Vorsitzender des EXPO-Lenkungs-ausschusses, Andeutungen über Schwierigkeiten mit den Ungarn nur für "ein Spiel mit den Nerven" (FURCHE 12/1990). Nun warten alle auf Ungarns Entscheidung.

Das aufgetakelte EXPO-Schiff-chen dümpelt in der Flaute des Ungewissen. Doch aus der Frustra-tion der österreichischen Kultur-planer hat sich so etwas wie ein Wenn-So-Nicht-Dann-Anders-Optimismus entwickelt.

Es kann auch eine EXPO ohne Ungarn geben, ein Jahr später, zusammen mit der tausendjährigen Namenstagsfeier unseres Landes (996 wurde das erste Mal der Name "Ostarrichi" in einer Urkunde erwähnt).

Für die Tausendjahrfeier sogar ein Vorteil. Denn sie würde für ein internationales Publikum aufge-wertet werden, meint Angelica Bäumer, EXPO-Kulturkoordinato-rin des Bundes. Und die Zeitver-schiebung wäre für alle günstig.

Natürlich kann auch nur eine Millenniumsfeier stattfinden, ein bißchen als EXPO-Ersatz. Sie soll, wenn es nach Bäumers Wünschen geht, die Frage stellen: "Woher kommen wir, wer sind wird, wohin gehen wir?" Ein zukunftsbezoge-ner Ansatz sei notwendig, denn die Feier dürfe nicht zu einer "chauvi-nistischen, nationalistischen, reak-tionären Bauch- und Nabelschau ausarten". Sie müsse Weltoffenheit zeigen. Mit einer EXPO '96 würde das sicher leichter fallen.

Sollte es keine dieser Varianten geben, was passiert mit den ge-planten Kulturereignissen? Einige würden auf jeden Fall realisiert, stellt Bäumer fest, schon im Hin-blick auf den wachsenden Städte-tourismus. Dies betreffe vor allem die Sommerprogramme, das renom-mierte Theater, die Oper. "Reno-vierungsbedürftig" sind auch die Öffnungszeiten der Bundesmuseen, für räumliche und konservatorische Verbesserungen garantieren nun die Museumsmilliarden.

Für viele andere Projekte wird sich die Frage der Finanzierung stel-len. Vor allem bei den kleineren werde die Realisierung von der Fähigkeit der Projektanten abhän-gen, selbst für staatliche Förde-rungs- oder private Sponsorengel-der zu sorgen, beschreibt Bäumer die Zukunft. Eine internationale Weltausstellung macht Sponsoren willig, eine Tausendjahrfeier schon weniger, gar keine Großveranstal-tung macht die Sache noch schwie-riger.

Eine gemeinsame Großausstel-lung der Museen wird es jedenfalls nur mit EXPO geben, denn sie ist teuer. Ebenfalls dem Rotstift zum Opfer fallen wird eine Reihe ar-chäologischer Vorhaben.

Ob die geplanten Kulturprojekte auch ohne Weltausstellung realisiert werden, ist für Bäumer jedoch nicht nur eine Frage der Finanzierbarkeit, zukunftsweisende, innovative Projekte würden auf jeden Fall durchgeführt. Entfallen würden eher spekulativ auf die EXPO aus-gerichtete Aktivitäten. "Das können auch Großprojekte sein." Welche, will Bäumer nicht sagen, dazu sei es noch zu früh.

Gute Überlebenschancen hat das "Zusammenleben im Donauraum" (FURCHE 12/1989). Vorangetrieben werden soll auch eine Verbindung der Heimatmuseen. Fragen nach Alltagsku^tur, Urbanität und Leben in der Stadt stehen hier im Mittelpunkt. Musterbauten der Zukunft soll ein Wettbewerb in Verbindung mit einer Ausstellung über historische Wohnutopien her-vorbringen.

Würde also ohne EXPO nur genau das verwirklicht werden, was passiert wäre, hätten wir nie von ihr gehört? Bäumer ist optimistischer, es hätte einen Fantasieschub gegeben. "Wenn nicht der totale Frust eintritt, dann wird etwas geschehen."

Weiter geschieht jedenfalls der internationale Architektenwettbe-werb rund um die EXPO-Bauten. Im Jänner wird die Jury entscheiden und wahrscheinlich mehrere Gewinner küren. Die anschließende Überarbeitungsphase wird bis März dauern. Dann wird auch die Entscheidung der Ungarn gefallen sein. Und es wird wieder Frühling.

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