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Planspiel EXPO

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Die Veranstalter der EXPO '95 geben sich weiterhin optimi- stisch. Investoren aus dem Fernen Osten sind interessiert, wenn auch mit anderem Hintergrund. Die Zeit vom 29. April bis zum 26. Oktober 1995 wird zeigen, ob die Planung der Realität entspricht.

Die geplante Weltausstellung hat in Wien schon eine Reihe von Ent- wicklungen in Gang gesetzt. Be- sonders was den Immobilienmarkt betrifft. Die Wiener selbst melden sich mit Protesten zu Wort, sie weh- ren sich gegen die Verbetonierung von Erholungsbereichen und ha- ben Angst, im zu erwartenden Ver- kehrsinfarkt und dem Müll der Donaupark-Deponie zu ersticken.

Das Wiener Immobilienkarussell dreht sich rasanter, die Preise je- denfalls sind in den letzten Mona- ten enorm gestiegen. Vor allem

entlang der Achse Stephansplatz - Donaukanal - Praterstern - Reichs- brücke - Kagran hat sich ein zu- nächst selbst Immobilienfachleute überraschendes Preisgefüge ent- wickelt. Es bleibt die Frage, ob die Rechnung vieler Spekulanten auf- gehen wird, die zum Teil bereits teuer erworbenen Objekte mit Gewinn verkaufen zu können.

Das am 30. März beschlossene Leitprogramm der Stadt Wien sieht etwa 90 Hektar als Ausstellungs- fläche rund um das Vienna Interna- tional Center vor, davon 25 als Nachnutzungsfläche. Die auf die- sem Areal entstehenden Bauten werden nach der temporären Nut- zung durch die EXPO für andere Zwecke zur Verfügung stehen.

Die Finanzierung dieser Investi- tionen, etwa zwölf Milliarden Schil- ling, soll durch privates Risikoka- pital erfolgen. Viele Investoren zweifeln an einer guten Rendite. Nach Beendigung der Weltausstel- lung werden mit einem Schlag etwa 300.000 Quadratmeter Bruttoge- schoßfläche an Büroraum frei. Den Hauptteil der Rendite sollen jedoch gerade diese Mieteinnahmen brin- gen, deren Berechnung eine Qua- dratmetermiete von 165 bis 230 Schilling zugrunde gelegt wurde. Noch Ende 1989 wurden in Wien in Bestlagen rund um die Ringstraße Preise von 150 bis 200 Schilling er- zielt, wie aus Studien von Immobi- liengesellschaften zu entnehmen ist. Viele Fachleute bezweifeln das geschätzte Preisniveau nicht nur wegen des entstehenden großen An- gebots, sondern schauen auch über die österreichische Grenze. Zur Zeit brechen in New York und London die Immobilienmärkte völlig zu- sammen, unter anderem eine Folge des überhitzten Preisniveaus.

Ein Drittel der geplanten Bauten sei bereits finanziert, erklärt Sig- mund Krämer, Vorstandsmitglied der EXPO AG, wobei es sich neben dem Computerkonzem IBM aus- schließlich um fernöstliche Inve- storen handle, deren Namen jedoch nicht genannt werden sollen. Der amerikanische Konzern will jeden- falls neben seinem Bau an der Las- sallestraße im zweiten Bezirk einen weiteren auf dem eigentlichen EXPO-Gelände errichten.

Eine als sehr optimistisch einge- stufte Schätzung der Besucherzahl

von durchschnittlich 80.000 bis 100.000 Besuchern pro Tag (Disney Land etwa hat im Jahresdurch- schnitt 67.000 Besucher und 100.000 an Spitzentagen) soll laut einer Studie des Instituts für Wirtschafts- forschung Zusatzeinnahmen von fast 30 Milliarden Schilling brin- gen. Geht man von dieser Besu- cherzahl aus, werden die derzeit vom Wiener Beherbergungsge- werbe angebotenen 40.000 Betten sicher mehr als ausgelastet sein, auch wenn im Zuge der EXPO weitere 10.000 geplant sind.

Die Planer der EXPO erwarten 70.000 Besucher in der Spitzenstun- de. Dabei würde das heute bereits überlastete Verkehrsnetz völlig zu- sammenbrechen, daher ist natür- lich ein Ausbau vorgesehen. Vor allem soll der öffentliche Verkehr den Zu- und Abtransport der Men- schenmassen übernehmen. Diese höhere Kapazität wird den Wie- nern sicherlich auch nach Ende der EXPO zugute kommen.

Nur diese Maßnahmen sollen durch den Steuerzahler finanziert werden, die eigentliche Weltaus- stellung soll ohne öffentliches Geld auskommen. 17 Millionen Besucher sollen mit 150 Schilling pro Ein- trittskarte dafür sorgen, die not- wendigen 5,5 Milliarden aufzubrin- gen, wie Krämer ausführt. Mit den weiteren Erträgen aus Fernsehrech- ten, Sponsoring, Umsatzbeteiligun- gen und Einnahmen aus der .Ver- mietung der 100.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche wird ein Ge- winn erwartet.

Die EXPO Vienna AG wird nun auf durchaus österreichische Weise privatisiert. Wenn die Banken dem Vertragsentwurf zustimmen, über- nehmen die Zentralsparkasse und die Creditanstalt zusammen mit der Länderbank, der Raiffeisenbank, der Ersten und der Girozentrale 78 Prozent des Aktienkapitals, 22 die Wiener Holding. Dieses Beteili- gungsverhältnis soll jedoch nur für eine Übergangsfrist bis Ende des

Jahres aufrecht bleiben. Danach werden die Anteile der Banken auf 52 Prozent und die der Wiener Holding auf zehn schrumpfen. Vier Investoren sollen die verbleiben- den 38 übernehmen, allen voran der japanische Nomura-Konzern. „Das Interesse der Japaner an der EXPO ist gigantisch", führt Krä- mer aus, „die Hälfte aller Angebote kommt aus Japan".

Eine Zweiteilung der EXPO AG soll für eine bessere Überschaubar- keit sorgen. Eine Gesellschaft wird die Abwicklung der Ausstellung und die Errichtung der temporären Bauten übernehmen, die andere soll sich um die auch nach der EXPO weiterbestehenden Gebäude küm- mern.

Jedenfalls werden die beteiligten österreichischen Banken das Ge- schäft der Vorfinanzierung über- nehmen. Zwei Milliarden werden im Betriebsbereich nötig sein, bis erste Einnahmen zu erwarten sind.

Verluste aus dem Immobilienbe-

reich werden mit 920.000 Schilling beschränkt sein, wobei für die Übernahme der Grundstücke ein kompliziertes Modell erdacht wur- de, das den Kaufpreis erst nach Abschluß der EXPO fixiert, natür- lich abhängig von den dann herr- schenden Verdienstmöglichkeiten der Gesellschafter. Höhere Verluste oder Gewinne gehen auf Rechnung des Grundeigentümers, der Stadt Wien, ebenso die Kosten für die Beseitigung der Donaupark-Depo- nie. Ob der Steuerzahler doch mehr Kosten zu tragen hat als ursprüng- lich behauptet, wird jedenfalls von der endgültigen Fassung des „Pri- vatisierungsvertrages" der EXPO AG abhängen.

Die Rechnung der zuständigen Planer und Experten fällt in jedem Fall günstig aus. Sie setzen auf die Philosophie eines „ Friedensfestes", das in Wien als „östlichstem Punkt Europas" stattfinden wird, so Krä- mer.

Bleibt abzuwarten, ob die pro- gnostizierten Zahlen der Realität entsprechen werden, ob die Welt- ausstellung möglicherweise ohne Ungarn stattfindet oder vielleicht gar nicht. Zeigt sich die Zukunft den Planern nicht gewogen, so wer- den viele Menschen an die EXPO Wien 1873 denken. Sie endete mit über 200 Konkursen.

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